this post was submitted on 18 Nov 2024
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DACH - Deutschsprachige Community für Deutschland, Österreich, Schweiz

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[–] Saleh 17 points 2 days ago (3 children)

Am dritten Verhandlungstag findet eine rechtliche Absprache zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht statt. Der Angeklagte solle seine wenig glaubwürdige Behauptung fallen lassen, er habe geschossen, weil er geglaubt habe, Mahdi B. greife zu einer Waffe, dann könne er mit einem milden Urteil rechnen. Sogenannte Deals zwischen Prozessparteien sind im Strafprozessrecht klar geregelt, sie sind aber bei Kapitalverbrechen eher die Ausnahme. So wie der Prozess gelaufen ist, bleiben Fragen offen.

"Also wenn sie zugeben, dass sie ihn ohne Grund umgeballert haben, dann sparen wir uns ein paar Stunden arbeit und sie sich ein paar Jahrzehnte Gefängnis."

Deutschland muss endlich entnazifiziert werden.

[–] Enkrod 9 points 2 days ago

Deutschland muss endlich entnazifiziert werden.

Ja aber wo bekommt Hessen dann seine Polizisten her?

[–] FJW@discuss.tchncs.de 5 points 2 days ago

dann sparen […] sie sich ein paar Jahrzehnte Gefängnis.”

Ist in Deutschland von vorne herein nicht wirklich drin:

Die maximale zeitige Freiheitsstrafe die ein Gericht verhängen kann sind 15 Jahre.

Bei lebenslänglicher Freiheitsstrafe hast du nach 15 Jahren wenn du dich halbwegs anständig benimmst eine sehr gute Chance auf Bewährung.

Bei besonderer Schwere der Schuld, wird nach 15 Jahren festgelegt, wie viel länger du noch auf eine Chance zur Bewährung warten musst, was aber auch 0 Jahre sein kann.

Selbst Christian Klar ist nach 26 Jahren frei gekommen.

„Jahrzehnte Gefängnis” sind in Deutschland entsprechend die absolute Ausnahme und erfüllen auch in der Regel keinen wirklichen Zweck der über Rachegelüste hinaus geht.

[–] Quittenbrot -5 points 2 days ago (2 children)

Deutschland muss endlich entnazifiziert werden.

Unverständnis über das Urteil ist das eine.

Pauschalurteile, die du in die andere Richtung auch nicht haben möchtest, das andere.

[–] Saleh 12 points 2 days ago (1 children)

Wieviele Einzelfälle in Polizei, Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz und Gerichten braucht es noch, bis strukturelle Probleme als solche anerkannt werden?

Klar, wäre das jetzt der einzige Fall im letzten Jahrzehnt, würde ich deine Ansicht teilen. Aber es ist ein weiterer Fall auf einem Haufen von Fällen, der inzwischen so groß ist, dass er den Kölner Dom verschatten könnte, wenn man ihn daneben stellt.

[–] Quittenbrot 3 points 2 days ago (1 children)

Ich habe es in einem anderen Kommentar schon geschrieben: die Richter sagten, dass Fremdenhass als Motiv für diese Tat nicht hinreichend bewiesen werden konnte. Wie juristisch stichhaltig das ist, kann ich nicht beurteilen, du?

Insofern weiß ich auch nicht, inwiefern man dieses Urteil als einen "Beleg" für irgendetwas pauschales hernehmen kann. Also jenseits des Bauchgefühls.

Genauso, wie ich nicht denke, dass man Messerangriffe einzelner Flüchtlinge für den "Beleg" für irgendetwas pauschales hernehmen kann. Trotzdem hörst du viel Gekrähe von Rechts, die fragen, wie viele Einzelfälle es denn noch braucht, bis strukturelle Probleme als solche anerkannt werden. Ich jedenfalls möchte mich in den Argumentationsmustern dieser Leute nicht wiederfinden.

[–] Saleh 7 points 2 days ago* (last edited 2 days ago)

Der Mann ist erwiesen rechtsextrem, hat eine Preppermenge an legalen Waffen und zusätzlich mindestens eine illegale Waffe. Er geht zu jemandes Wohnung und tötet ihn. Anschließend zerlegt er die Leiche und schmeißt sie in einen Fluss.

Hier einen Deal für ein mildes Urteil zu machen, kann ich mir nur damit erklären, dass Richter und Staatsanwalt mindestens Sympathie für seine politische Einstellung hegen. Der Deal war offensichtlich unnötig, das Richter und Staatsanwaltschaft selbst sagten, dass die Behauptung wenig glaubwürdig ist. Entsprechend kann man das bei der Beweiswürdigung auch berücksichtigen. Ansonsten fällt auf, dass das Urteil auch für "nur Totschlag" ausgesprochen mild ist. Mindeststrafmaß sind 5 Jahre. Da er behauptet Stunden nach einem Streit zu der Wohnung gegangen zu sein, kann hier auch nicht von einer Tat im Affekt gesprochen werden. Wie das Gericht selber sagte, käme auch Mord in Frage.

Das erinnert sehr stark an den Typen, der einen Tankstellenwärter ermordet hat, weil der ihn gebeten hat, eine Maske zu tragen, während das Coronavorschrift war.

Also völlig unabhängig davon, ob die erwiesene rechtsextreme Einstellung des Täters, der seine Tat im Anschluss ja sogar noch glorifiziert hat, hier als Tatmerkmal bewiesen werden kann, ist das Urteil auch für "Stunden nach einem Streit die Wohnung suchen, das Opfer mit einer illegalen Schusswaffe erschießen, Leiche zerstückeln und in den Fluss werfen" auffällig niedrig.

[–] aaaaaaaaargh 10 points 2 days ago (1 children)

Aber ganz falsch ist das nicht. Ich stamme aus einer Region, in der Entnazifizierung bedeutete "Wir vergraben unsere Gewehre und verstecken die Nazi-Uniformen im Schrank". Kein Wunder, dass wir heute da sind, wo wir sind.

[–] Quittenbrot 4 points 2 days ago (2 children)

Völlig richtig. Aber trotzdem würde ich diese Richter erst mal nicht mit Altnazis vor einem Dreivierteljahrhundert in einen Topf werfen wollen.

Ich denke, wir leben auch deshalb in diesen beschissenen politischen Zeiten, weil die Leute nur noch nach Bauchgefühl, den einfachen Weg gehen wollen. So landet man sehr schnell bei einem kruden Schwarz-Weiß-Weltbild.

Natürlich ist es ein Urteil, das spontan Unverständnis hervorruft. Ich kann ehrlich gesagt aber nicht beurteilen, ob das jetzt ein "Sympathie-Urteil" war, denke aber auch, dass das letztlich keiner von uns nichtbeteiligten Laien kann. Die Aussage der Richter war ja lediglich, dass sich Fremdenhass als Motiv für die Tat nicht hinlänglich beweisen ließ.

Wie möchte ich jetzt mit so einer herausfordernden Nachricht umgehen? Greife ich reflexhaft auf pauschalisierende Vorurteile zurück? Was unterscheidet mich dann vom dumpfen Stammtisch, der Messerangriffe einzelner Flüchtlinge auf ganze Regionen hochpauschalisiert?

[–] flora_explora@beehaw.org 4 points 2 days ago

Das Problem ist doch, dass es ständig vorkommt, dass Gerichte nicht klar sagen können, in es nun rassistisch oder rechtsextrem motivierte Taten sind, obwohl die Täter:innen in der Regel sehr klar als rechtsextrem zu erkennen sind und dies meist auch nicht verheimlichen. Dahinter steckt also ein strukturelles Problem. Du argumentierst hier so, als ob das ein Einzelfall wäre und man das nur nicht genau sagen könne. Aber genauso passiert es eben, dass der NSU nicht ernstgenommen wird, viele hunderte rechtsextreme Menschen mit Haftbefehl gesucht frei rumlaufen können und selbst bei krassen rassistischen Gewalttaten das ganze als uneindeutig abgetan wird. Deswegen hat die andere Person hier die Entnazifizierung hervorgeholt. Nicht, weil nich Altnazis in den Gerichten sitzen, sondern weil unser Rechtsstaat noch immer strukturell sehr stark vom Nationalsozialismus geprägt ist und dieser nie vernünftig aufgearbeitet wurde.

[–] aaaaaaaaargh 3 points 2 days ago

Ja, natürlich hast du recht damit. Am besten wäre es, wenn sich alle Gemüter abkühlen und die Sachlichkeit zurückkehren würde. Aber die vermisst man leider überall, Gesellschaft wie Politik.

Ich wollte das eigentlich auch gar nicht bekräftigen, aber es muss einfach stimmen, dass in hohen Ämtern einflussreiche Personen Nazischeiße machen. Wir haben quasi über 70 Jahre Beweise dafür und deshalb muss man leider immer solche Motive zumindest als Einfluss, nicht als alleiniger Hauptgrund, mit annehmen. Meine Aussage sollte nur klarstellen, dass Entnazifizierung aus meiner Sicht ein ähnlich effektives Wortgebilde darstellt wie (hoffentlich bald nicht mehr) Klimaschutz.