Da ich demnächst eine neue Tätigkeit beginne, bei der ich auch mit Kindern zu tun haben werde, muss ich ein „Erweitertes Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde“ beantragen.
Ich gehe also auf die Internetseite meines Rathauses und – siehe da! – das Ganze lässt sich auch direkt online beim Bundesamt für Justiz erledigen. Keine Wartezeit beim Amt, keine komischen Sachbearbeitys, kein grippaler Infekt von den Mitwartenden – alles super.
Gut, die Seite sieht ein bisschen altbacken aus, ein bisschen CSS würde ihr schon guttun, aber wie sagt man so schön: Alter patcht alle Bugs. Keine Ahnung, bin kein Lyriker. Anmeldung mit elektronischem Personalausweis klappt einwandfrei (nach meinem Kampf mit dem Organspenderegister kenne ich inzwischen auch meine PIN). Manche Formularfelder sind etwas irritierend, etwa dass die Auswahl „Prof. Dr.“ fokussiert und dadurch hervorgehoben ist, sodass ich mich dank des deutlichen Hinweises, das Führen eines falschen Titels sei strafbar, schon mit einem Zeh im Gefängnis sehe. Sicherheitshalber also nochmal auf „Keine Angabe“ klicken. Nachweise hochladen hier, Unterlagen hochladen da, funktioniert alles erstaunlich problemlos.
Nächste Seite – ich soll die Adresse der Behörde angeben, an die das Führungszeugnis zugestellt werden soll. (Damit da auch ja nichts gefälscht werden kann, darf man das nicht selbst erhalten. Wenn man persönlich Einsicht nehmen will, geht das nur vor Ort beim Amtsgericht.) Ich habe die entsprechende Adresse per PDF bekommen, so dass ich sie per Copy & Paste direkt ins Formular übertragen kann. DACHTE ICH. Nach 38 Zeichen wird der Behördenname einfach abgeschnitten. Lange Behördennamen? – Nein DAS machen wir in Deutschland NIE.
Die Felder „Fortsetzung 1“ und „Fortsetzung 2“ brauche ich noch, um anzugeben, auf wessen Schreibtisch das ganze schließlich landen soll, damit es nicht im Verwaltungsdschungel verloren geht. Ich könnte vielleicht etwas abkür- BiTtE vErWeNdEn SiE kEiNe AbKüRzUnGeN. Tja, jetzt sind halt die letzten 3 Buchstaben verloren gegangen, man kann's trotzdem lesen, sollen sie mich halt verklagen. Der ganze Irrsinn dauert eine Weile oder vielleicht habe ich zu viel auf anderen Seiten rumgeklickt, denn nachdem ich auf „weiter“ geklickt habe, lande ich nicht auf einer nächsten Seite, SONDERN AUF DER VERDAMMTEN STARTSEITE! FüHrUnGsZeUgNiS hIeR oNlInE bEaNtRaGeN. KEINE VERFICKTE FEHLERMELDUNG, KEINE BESTÄTIGUNG, DASS ALLES GEKLAPPT HABE.
Tja, ist das jetzt abgeschickt? Nein, denn mir fällt ein, dass der wichtigste Akt in der deutschen Verwaltung noch gefehlt hat: DU MUSST FÜR JEDE DÄMLICHE BESCHEINIGUNG NOCHMAL EXTRA ZAHLEN. Ich klicke mich also nochmal durch alle Formulare, AusweisApp funktioniert immer noch einwandfrei, ich bemühe mich diesmal den Behördennamen etwas schneller zu verschandeln. Ich klicke auf weiter – und komme tatsächlich weiter. Noch ein paar Ja-/Nein-Fragen und ich bin so gut wie durch.
Sie haben Dateien hochgeladen? Wir brauchen jetzt noch eine Eidesstattliche Versicherung, dass Sie nichts gefälscht haben und dass alles, was in dateiname-a.pdf und dateiname-b.pdf steht, inhaltlich korrekt ist. Nein, wir zeigen Ihnen die Dateien nicht noch einmal an. Selbst wenn Sie nur fahrlässig handeln, gibt das bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe und ziehen Sie dabei nicht über Los. Bitte drucken Sie diese Versicherung an Eides Statt aus, unterschreiben Sie und laden Sie diese wieder hoch. HIMMEL, ARSCH UND ZWIRN. SELBST EINEN BESCHISSENEN ONLINE-ANTRAG KANN MAN NICHT OHNE PAPIER ABSENDEN.
Meinem brüderlichen 2D-Drucker mit Scanner sei dank, gelingt es mir schließlich, dieses Hindernis zu überwinden. R.I.P. an die arme Fichte, die dafür sterben musste. Die letzten Schritte inklusive Bezahlung per Debitkarte zeigen keine größeren Probleme. Ich kann mir ein Benutzykonto anlegen, in dem ich den abgeschickten Antrag auch tatsächlich finden kann. DeR aNtRaG iSt NiChT eInSeHbAr, na gut, was soll's.
2/10, beim nächsten Mal hol ich mir doch lieber die Erkältung vom Amt.
Erotischer wird's heute nicht mehr.