DACH - Deutschsprachige Community für Deutschland, Österreich, Schweiz

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Das Sammelbecken auf feddit.org für alle Deutschsprechenden aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und die zwei Belgier. Außerdem natürlich alle anderen deutschprechenden Länderteile der Welt.

Ursprünglich wurde diese Community auf feddit.de gegründet. Nachdem feddit.de mit immer mehr IT-Problemen kämpft und die Admins nicht verfügbar sind, hat ein Teil der Community beschlossen einen Umzug auf eine neue Instanz unter dem Dach der Fediverse Foundation durchzuführen.

Für länderspezifische Themen könnt ihr euch in folgenden Communities austauschen:

Eine ausführliche Sidebar findet ihr hier: Infothread: Regeln, Feedback & sonstige Infos

Auch hier gelten die Serverregeln von https://feddit.org !___

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Es gibt Hobbies, von denen man gerne erzählt, weil sie einen interessant oder klug oder sportlich machen. Stundenlang durch Social Media und Kommentarspalten scrollen gehört nicht dazu. Dabei ist ja gar nicht alles Quatsch, was einem da so über den Weg läuft. Kürzlich habe ich auf Instagram zum Beispiel ein Video von FDP-Finanzminister Christian Lindner entdeckt, in dem er sehr holpriges Englisch spricht, und die Kommentare darunter waren wirklich Gold: kurze Witze, die sich dezidierter mit Lindners Wirtschaftspolitik auseinandersetzten als jede Lanz-Sendung. Mindestens zehn Minuten lang habe ich also über die Kommentarspalte gebeugt dagesessen und gekichert. Und ich würde rückblickend wirklich nicht sagen, dass das Zeitverschwendung war.

Zwischen Outfit-Fotos, Urlaubsbildern alter Schulfreund:innen und Kochvideos, die man allesamt abspeichert in der Überzeugung, man würde das Spargel-Risotto bald mal nachmachen, begegnen einem auf Plattformen wie Instagram oder TikTok viele gesellschaftspolitische Inhalte. Dass auch etablierte Medien sich dort aufhalten, ist deshalb nachvollziehbar und zeitgemäß. Es produziert aber auch journalistische Herausforderungen, denen klassische Ausspielwege wie Radio und Fernsehen so nicht unterlagen – und merkwürdige Szenen.

Mitlachen über den Naziwitz

Zum Beispiel diese: Ein User kommentiert unter dem Instagram-Beitrag eines öffentlich-rechtlichen Nachrichtenaccounts mit einem NS-Wortspiel: „Wehrmacht denn sowas?“ Die Redaktion antwortet darauf mit „I see what you did there“ und einem lachenden Emoji. Ist das locker und nahbar, weil Naziwitze nun mal auf Social Media kursieren und da will man nicht allzu verklemmt auftreten, die Zielgruppe nicht verprellen? Oder ist es geschmacklos, deplatziert und eigentlich ein Abmahnungsgrund für den oder die verantwortliche Community Manager:in?

Wenn Sie mich persönlich fragen: Letzteres. Wenn Sie mich als Journalistin fragen, die selbst Community Management für verschiedene öffentlich-rechtliche Angebote auf Social-Media-Plattformen gemacht hat, würde ich sagen: Es ist vor allem repräsentativ für ein vielschichtiges Problem.

Große Planlosigkeit in Reaktionen

Viele, vor allem öffentlich-rechtliche Social-Media-Redaktionen scheinen keinen konkreten Fahrplan zu haben, wie sie die Debattenräume, die sie mit ihren Kommentarspalten aufmachen, eigentlich bespielen wollen. In einer der Redaktionen, in der ich in diesem Bereich tätig war, hingen ausgedruckte Memes an der Wand, ein Großteil davon mit dem humoristischen Tenor: beim Community Management brennt’s eigentlich immer, es ist die Hölle, Kommentare moderieren ist Horror.

Ein Grund dafür ist die Funktionslogik von Social-Media-Plattformen. Ein News-Kanal auf TikTok oder Instagram ist deutlich interaktiver als eine gedruckte FAZ auf dem Küchentisch oder eine Dreiviertelstunde „Monitor“ in der ARD. Noch bevor ein Video vorbei oder ein Post gelesen ist, können User:innen reagieren, liken, teilen, kommentieren. Welche Accounts wie viel interagieren, ist entscheidend dafür, bei wem und wie häufig die Beiträge dann ausgespielt werden. Anders formuliert: Algorithmen belohnen viel Interaktion, und in den Kreisen, in denen ein Beitrag auf besonders viel Reaktion zu stoßen scheint, wird er vermehrt angezeigt.

Das habe ich bei der Betreuung von Beiträgen immer wieder beobachten können: in den ersten Minuten nach Veröffentlichung ein paar Sexbots löschen, dann auf ein paar erste inhaltliche Kommentare reagieren, dann passiert vielleicht auch länger nicht viel. Aber wenn zunehmend empörte Kommentare aus einer bestimmten Richtung reinkommen, ist förmlich spürbar, wie der Beitrag plötzlich rapide an Reichweite in bestimmten Communities gewinnt und immer mehr Gleichgesinnte anzieht.

In Netiquetten ist meist schwammig festgehalten, dass Kommentarspalten ein respektvoller Raum des Austauschs sein sollen und deshalb keine justiziablen Äußerungen wie Beleidigungen oder Gewaltaufrufe erlaubt sind. Das Problem sind aber selten solche Kommentare, die offen gewaltandrohend oder diskriminierend sind. Mord- und Gewaltdrohungen, Beleidigungen oder Kommentare wie „Ich hasse Minderheit XY“ – klar müssen die weg. Was aber, wenn eine Kommentarspalte subtiler hasserfüllt ist und gerade durch die Dynamik der Masse kippt?

Nicht verboten, trotzdem Hass

Aus soziologischer Sicht ist das nicht überraschend. Es gibt Phänomene, die sich nicht nur aus den einzelnen individuellen Handlungen erklären lassen, weil sie mehr als die Summe ihrer Teile sind. Wenn ich als Einzelperson in einem bestuhlten Saal hinten aufstehe, kann ich besser sehen. Daraus abzuleiten, dass man grundsätzlich besser sieht, wenn man aufsteht, wäre falsch. Denn wenn alle aufstehen, gilt das nicht mehr. Oder: Wenn Ihnen Ihre Kollegin auf dem Flur sagt, dass sie Sie nicht ausstehen kann, ist das deplaziert und nicht nett, den Betriebsrat würde das aber nicht auf den Plan rufen. Wenn alle Ihre Kolleg*innen sich allerdings im Kreis um Sie herumstellen und Ihnen zusammen ungefragt sagen, dass sie Sie nicht ausstehen können, ist das Mobbing. Social-Media-Kanäle, bei denen Beiträge immer tiefer in Bubbles gespült werden, in denen viel reagiert wird, sind anfällig für diese Dynamiken.

Ein Beispiel: ein einminütiges Video über Angriffe und polizeiliche Repressionen gegenüber queeren Menschen bei einer verbotenen CSD-Parade in der Türkei. Unter dem Reel fast 2.000 Kommentare. Über 80 Prozent davon sind Aussagen wie „Erdogan ist ein Ehrenmann“, „Türkei <3 <3“, „will das in Deutschland auch“, „richtig so“. Der Netiquette zufolge muss keiner dieser Kommentare verborgen werden, im Einzelnen würde man wohl sagen, das ist zwar queerfeindlich, aber nicht verboten. In der Summe wird daraus trotzdem eine hasserfüllte, homophobe Kommentarspalte und es ist spürbar, dass der Beitrag zunehmend vor allem Konten angezeigt wird, die die gleiche Meinung dazu haben.

Ich könnte eine Reihe anderer Beispiele nennen, ein Video über einen antisemitischen Angriff durch einen rechtsextremen Politiker in Polen zum Beispiel. Die Kommentare, die sich offen den Nationalsozialismus zurückwünschen oder klar formulieren, sie würden Juden hassen, sind in ihrer Masse zwar erschreckend, aber auch unstrittig: löschen, weg damit. Bei einer Flut von Kommentaren, die den antisemitischen Politiker zum „Ehrenmann“ adeln, ist das schwieriger. Inhaltlich ist es aber dasselbe: Antisemitismus.

Hauptsache viele Klicks?

Die Finanzierung vieler Social-Media-Teams bei öffentlich-rechtlichen Anstalten ist an steigende Reichweiten gekoppelt. Das führt dazu, dass Evaluationen und Feedbackrunden oft sehr zahlenorientiert sind. Sprich: Je mehr Leute ein Beitrag erreicht und je mehr damit interagiert wird, desto besser, weil die Jahresziele zum Beispiel vorschreiben, dass der Kanal bis zum Ende des Jahres x-tausend Follower:innen mehr haben muss, wenn alle ihren Job behalten wollen. Ein selbst gestecktes Ziel und somit ein hausgemachtes Problem. Besser wäre es, die Daseinsberechtigung eines Angebots an inhaltlichen Parametern zu messen.

Jedenfalls: Als Community Managerin ist es eine merkwürdige Gleichzeitigkeit, zu wissen, dass eine Kommentarflut gerade an eine politische Hetzkampagne grenzt und vor allem aus einer Community fern der eigentlichen Zielgruppe kommt, im Hintergrund aber zu hören, wie gefühlt die Sektkorken knallen, weil: „Hey, 2.000 Kommentare, das ist ja super, das Video zieht richtig an und kriegt immer mehr Reichweite.“

Natürlich wird das Video jetzt gut geklickt, denke ich dann. So funktionieren diese Plattformen. Aber ist es deshalb tatsächlich erfolgreich? War die journalistische Einordnung oder Aufarbeitung eines Themas deshalb wirklich besonders gut? Ich unterstelle Social-Media Redaktionen nicht, dass sie mit Hass und Diskriminierung Reichweite generieren wollen, sie tun es aber teilweise, weil es in der Natur der Plattformen liegt und sie sich dem vielfach nicht entschieden genug entgegenstellen.

Kommentarspalten bitte schneller schließen

Es gäbe für das Problem eine einfache erste Lösung: Wenn in einer Kommentarspalte unter einem Beitrag nicht mehr sachlich diskutiert wird, sollte sie geschlossen werden. Gerade öffentlich-rechtliche Accounts müssten hier deutlich konsequenter und mutiger sein. Meiner Erfahrung nach reagieren obere Hierarchie-Etagen auf die Forderung, Kommentarspalten zu schließen jedoch oft mit Entsetzen und einem klarem „Nein“. Ob ich nicht wisse, wie sehr der öffentlich-rechtliche Rundfunk dafür kritisiert werde, nicht genug Meinungsvielfalt zu zeigen, unliebsame Meinungen gar zu zensieren. Doch, doch, ich sag mal so, wenn man beruflich Internetkommentare liest, kommt man an dieser Erkenntnis schwer vorbei. Aber darum geht es gar nicht.

Woher kommt die Annahme, einen eigens geschaffenen Debattenraum unter bestimmten Umständen auch wieder zu schließen, könne etwas mit Zensur zu tun haben? Meinungsfreiheit ist das Grundrecht darauf, sich eine Meinung zu bilden und diese frei zu äußern. Sie ist aber kein Freifahrtschein, seine Ansichten auf jeder Bühne und zu jedem Zeitpunkt ungefiltert kundtun zu dürfen. Es wird schließlich auch nicht jeder Leserbrief, der eine Redaktion erreicht, veröffentlicht.

Und die Meinungspluralität? Der Rundfunkstaatsvertrag fordert zwar von den Öffentlich-Rechtlichen, das Prinzip der Ausgewogenheit einzuhalten und die Meinungsvielfalt in seiner Berichterstattung zu berücksichtigen. Ob das Programm ausgewogen ist und vielfältige Meinungen abbildet, entscheidet sich aber nicht in einer TikTok-Kommentarspalte. Die Plattformen dahinter sind nicht darauf ausgelegt, ein für die deutsche Gesellschaft repräsentatives Meinungsspektrum abzubilden.

Wenn man das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Verpflichtung der Öffentlich-Rechtlichen, Meinungsvielfalt im Programm abzubilden, addiert, kommt da kein Menschenrecht auf einen Talkshowplatz bei „Maischberger“ raus – und auch nicht das Recht, unter jedem beliebigen Beitrag eines Senders meine Meinung kundzutun. Die Freiheit, die eigene Meinung am Gartenzaun, auf dem eigenen Social-Media-Profil oder in Mails an die Redaktion kundzutun, meinetwegen sogar zu schreien, unfreundlich zu formulieren oder zu pöbeln, wird dadurch trotzdem nicht beschnitten. Keine Sorge.

Die Aufgabe ist nicht, möglichst viel auszuhalten

Ein weiteres, hausgemachtes Problem ist ein personelles: Wer moderiert solche Kommentarspalten eigentlich? Mein Eindruck: Keiner hat da Bock drauf. Jahrelanges Studium, journalistische Ausbildung und Fachexpertise, um dann auf Instagram Kommentare von Wutbürgern zu beantworten oder mit lustigen Emojis auf inhaltlich völlig Belangloses zu reagieren, um die Antwortquote hochzutreiben? Zugegeben: So stelle ich mir meine berufliche Zukunft auch nicht vor. In vielen Redaktionen ist Community Management, kurz CM, deshalb eine Einstiegsstelle, nach dem Motto: Du hast ein bisschen journalistische Erfahrung, willst dich hier reinarbeiten, hocharbeiten, okay, mach doch erstmal ein, zwei Jahre Community Management und dann gucken wir weiter. Ich habe mit vielen jungen Leuten in dem Bereich gesprochen und niemand hatte sich aktiv für dieses Berufsfeld entschieden. Immer ein Kompromiss, immer die Bedingung, um irgendwann weiterzukommen.

Als ich einmal bei der Arbeit zu weinen beginne, weil ich vor einem Berg von etwa 600 Kommentaren sitze, von denen 90 Prozent so rassistisch und hasserfüllt sind, dass ich sie hier nicht ohne diverse Triggerwarnungen zitieren könnte, kommt eine andere junge Community Managerin zu mir, legt mir die Hand auf die Schulter und sagt: „Du gewöhnst dich noch dran, man stumpft schnell ab, ich denk mir mittlerweile wirklich gar nichts mehr dabei.“ Sie guckt dabei, als wäre das ein prima Trost, und ich frage mich, warum mich das absolut überhaupt nicht tröstet.

Vielleicht, weil ich es absurd finde, dass Community Manager:innen gern unterstellt wird, eine zu große Sensibilität bei bestimmten Kommentarfluten wäre eine Form fehlender Professionalität und Resilienz. Auf dem Schreibtisch, an dem ich sitze, kleben Zettel mit kleinen Tipps und süßen Sprüchen, sowas wie „Halt durch!“ und „Gönn dir zwischendurch mal ne kleine Pause zum Durchatmen“. Dabei ist die Aufgabe ja nicht, furchtbare Aussagen auszuhalten, sondern im Gegenteil, aufmerksam für Diskursdynamiken zu sein.

Und auch persönliche Betroffenheit ist keine Schwäche, sondern Teil der Perspektivenvielfalt, die sich viele Redaktionen (zumindest öffentlich) wünschen. Ich habe schwarze Community Manager:innen kennen gelernt, die keine Lust mehr hatten, Tausende Kommentare zu moderieren, die mindestens implizit rassistisch waren, aber noch nicht offiziell gegen die Netiquette verstießen. Ich habe queere Community Manager:innen erlebt, denen es schlecht ging, nachdem sie unzählige queerfeindliche Kommentare lesen mussten, denen zufolge queere Menschen in Deutschland nicht mehr so offen leben sollten und die laut Netiquette in die Kategorie Meinung fallen. Warum sollten gerade solche Reaktionen nicht ein ganz guter Indikator dafür sein, ab wann sich auch ein Teil der Community in der Kommentarspalte nicht mehr sicher fühlt? Denn gerade dann ist ein Debattenraum eben nicht mehr offen für viele verschiedene Meinungen, sondern drängt Gruppen systematisch aus dem Diskurs.

Aushilfskräfte einzustellen, reicht nicht

Zu dem Besetzungsproblem gehört außerdem: Wenn Kommentarspalten tatsächlich Orte für inhaltlichen Austausch sein sollen, müssen Community Manager:innen entsprechend qualifiziert sein – undankbarer Job hin oder her. Es würde also Sinn machen, den Austausch unter Social-Media-Posts auch den Teammitgliedern zu überlassen, die den jeweiligen Beitrag recherchiert haben und entsprechend im Thema sind.

Studierende anzustellen, die offensichtliche Beleidigungen und Morddrohungen löschen und auf inhaltliche Fragen bestenfalls mit schnellen Google-Suchen antworten, ist zu wenig für Plattformen, die Hass und Hetze belohnen und Empörung fördern. Es ist zu wenig für eine Zeit, in der rechte Netzwerke gezielt redaktionelle Kapazitäten binden, indem sie sie mit teils zusammenhangslosen, teils populistischen, selten aber im Einzelnen strafrechtlich relevanten Kommentaren fluten. Hinzu kommt, dass Leuten im CM, eben weil: jung und unerfahren, gerne abgesprochen wird, eine Entscheidung wie die Limitierung oder Schließung einer Kommentarspalte treffen zu können. Ob eine Kommentarspalte gerade ein Ort wertvollen Austauschs oder die absolute Hölle ist, können aber vor allem die beurteilen, die das über Stunden hinweg beobachten.

Um das bei aller Kritik klarzustellen: Dass Redaktionen bemüht sind, ihre Inhalte auch jungen Menschen zugänglich zu machen und das da, wo die sich eben aufhalten, ist richtig. Dass das Unterhaltungsangebot der Öffentlich-Rechtlichen nicht beim ZDF-„Fernsehgarten“ im linearen Fernsehen Halt macht, sondern darum bemüht ist, auch Menschen unter 60 auf Plattformen mit entsprechend jüngeren Zielgruppen zu erreichen, ist richtig. Dass die „Tagesschau“ oder Deutschlandfunk Nachrichten auch für Instagram aufbereiten und Formate wie „Die da oben!“ jungen Menschen auf YouTube politische Zusammenhänge erklären, ist richtig. Und auch ganz andere Themen haben ihre Berechtigung: Dass Instagram-Formate wie das (vor kurzem geschlossene) glanzundnatur Jugendlichen erzählen, dass sie nicht die einzigen sind, deren eine Brust größer ist als die andere, und damit Orte der Aufklärung und des Austauschs für tendenziell schambehaftete Themen sind, ist richtig. Und natürlich stecken Social-Media-Teams einen großen Teil ihrer Ressourcen in kleinteilige Formulierungs- und Schnittfragen, weil es auf diesen Plattformen besonders wichtig ist, eine bestimmte Sprache zu treffen.

Mehr Schadensbegrenzung als Management

Es geht beim Community Management auch nicht darum, irgendwem eine Meinung aufzuzwängen: Man muss nicht der gleichen Ansicht wie ein Großteil der angestrebten Zielgruppe eines Formats sein, um sich an einer Diskussion in der Kommentarspalte zu beteiligen zu dürfen. Eine Perspektive auf die Welt muss nicht mal fachlich fundiert oder korrekt sein, damit Redaktionen sich ihrer annehmen. Meinungsfreiheit gesteht einem ja nicht nur allerlei persönliche Einstellungen zu, man darf inhaltlich sogar ziemlich auf dem Holzweg sein.

Aber: Redaktionen müssen die eigenen, digitalen Debattenräume auch nicht für jeden Mist und jede Hasswelle offenhalten. Die journalistische Verantwortung endet nicht, wenn Beiträge hochgeladen sind. Die Kommentarfunktion auf Social Media ist eine große Chance, herauszufinden, was Menschen bewegt, Aufklärung zu leisten, einzuordnen und Rede und Antwort zu stehen. Community Management, so wie ich es mitbekomme und erlebt habe, hat in vielen Fällen allerdings herzlich wenig mit Managen zu tun, sondern vor allem mit dem kläglichen Versuch von Schadensbegrenzung.

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submitted 2 days ago by kplx to c/dach
 
 
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Bezahlmauer vermeiden

Warum Deutsche mit Migrationsgeschichte die AfD wählen.

"Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen." – René Springer.

"Einwanderung ist Völkermord." – Maximilian Krah.

So sprechen AfD-Politiker. Der Verfassungsschutz stuft die Partei bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, unter anderem wegen der Haltung der AfD zu Menschen mit Migrationshintergrund und Muslimen.

"Die AfD ist eine demokratische Partei, sonst wäre sie ja verboten", sagt Ali*, er sitzt am Esstisch im Wohnzimmer seines Hauses. Ali wurde in Anatolien geboren, sein Deutsch hat einen leicht hessischen Einschlag. Ali will die ausländerfeindlichste und rassistischste Partei im Bundestag wählen.

Wie passt das zusammen?

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submitted 2 days ago* (last edited 2 days ago) by aaaaaaaaargh to c/dach
 
 

Hallo werte DACH-Gemeinschaft,

ich wollte heute mal einen sinnlosen Post hier lassen mit einer einfachen Frage, die mir kam, als ich gerade durch die fußballbedingt verhältnismäßig leergefegten Straßen lief und still meines Desinteresses für dieses Ereigniss fröhnte.

Wo seid ihr in diesem Moment? Unterwasser? Im Weltraum? Wandern? Am Schreibtisch? Im Bett? Auf'm Klo?

(eines der o.g. trifft auf mich zu)

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Hat sich der Vizepräsident und Asyl-Richter am Verwaltungsgericht Gera, Bengt Fuchs, über Jahre in Studentenverbindungs-Foren rassistisch und homophob geäußert? Er selbst bestreitet das. Interne Dokumente und Aussagen anderer Verbindungs-Mitglieder lassen aber auch einen anderen Schluss zu.

Ist Nutzer "Bengt-Christian Fuchs" tatsächlich Dr. Bengt-Christian Fuchs, Richter am Verwaltungsgericht Gera? Steckt hinter dem Nutzer einer ehemaligen Korporierten-Plattform, der sich dort wiederholt rassistisch geäußert hat, wirklich der Vizepräsident des Geraer Verwaltungsgerichts? Fuchs selbst bestreitet das alles. Aber der Reihe nach:

[...]

Ende vergangenen Jahres veröffentlichte der MDR einen Bericht, wonach die Quoten zur Asylrechtsprechung von Richter Fuchs deutlich von den Quoten der Kolleginnen und Kollegen im Bundesschnitt abweichen. Afrikanische Asylbewerber hatten demnach in der Vergangenheit in Gera bei Fuchs deutlich schlechtere Chancen, eine Klage gegen ihren abgelehnten Asylbescheid zu gewinnen. Fuchs Verfahrensführung schätzte ein Anwalt im MDR-Bericht als "rudimentär" ein. Fotos und Videos aus dem Jahr 2018 zeigen den Richter zudem auf der Wahlparty der mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuften Thüringer AfD in Gera.

[...]

Ende Juni veröffentlichte die Autonome Antifa Freiburg (AAF) nun eine Recherche, die neue Vorwürfe gegen den Thüringer Richter aufwirft: Die AAF konnte das Internetforum „Tradition mit Zukunft“ (TraMiZu), das 2011 geschlossen wurde, auswerten. Ein User mit dem Namen "Bengt-Christian Fuchs" - auf dem Forum intern mit der Kennung "BeFuchs287"” registriert - und dem Titel "Dr. iur." soll sich dort zwischen 2007 und 2011 über 3.000 Mal eingeloggt haben. Auf TraMiZu tauschten sich an die 15.000 Korporierte aus über 2.100 Studentenverbindungen aus.

Aufgenommen wurde nur, wer von den Administratoren überprüft wurde und die Zugehörigkeit zu einer Verbindung nachweisen konnte, beschreibt die AAF. Es herrschte Klarnamenpflicht. Fast 1,4 Millionen Beiträge wurden auf TraMiZu verfasst - bis die Administratoren 2011 die Plattform einstellten und die Korporierten auf Facebook übersiedelten.

[...]

Ebenfalls 2009 informierte der Nutzer über seine Mitwirkung an einem Gesetzgebungsverfahren: "[…] Derzeit bastele ich an einer Stellungnahme Thüringens zum völlig verkorksten Gesetz des Bundes zur Änderung des Transsexuellengesetzes rum. demnach können verheiratete Transen zukünftig weiter verheiratet bleiben, die gleichgeschlechtliche Ehe wird damit eingeführt [Kotz-Smiley] […] Ich säß jetzt auch lieber bei nem verträumten Bier…"

[...]

In die schwulenfeindlichen Töne des Plattform-Nutzers "Bengt-Christian Fuchs" mischen sich auch offen rassistische. Das N-Wort fällt, als Bezeichnung für Sinti und Roma schlägt der Nutzer 2019 (mittlerweile auf Facebook) "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" vor und zum Thema "Abschiebung krimineller Ausländer" steuert er folgendes bei: "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D".

[...]

Andere Korporierte, die laut eigener Aussage auf jeden Fall auf TraMiZu aktiv waren, bezweifeln im Gespräch mit dem MDR, dass jemand in Fuchs Namen ein Profil erstellt haben könnte. Das sei zu unwahrscheinlich. Und: "Ich gehe davon aus, dass das der Mensch ist", sagt einer von ihnen. Ein anderer: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es den anderen aus dem Bund nicht aufgefallen wäre", wenn der Name von einem von ihnen missbraucht worden wäre.

Die Burschenschafter erklären unisono, dass das Verifizierungsverfahren für die Plattform zu umfangreich gewesen sei. Teilweise sei auch in den Verbands-Vorständen der jeweiligen Korporierten nachgefragt worden, ob es die Person wirklich gebe. Die Korporierten mussten Geburtsdatum und Adresse angeben.

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submitted 2 days ago* (last edited 2 days ago) by federalreverse to c/dach
 
 

Der CEO der "Washington Post" soll kritische Berichterstattung verhindert haben. Was ist da los? Anruf bei Christian Fahrenbach in New York.

Ein ganz spannender Podcast über das amerikanische Mediensystem. (Ich war mir ein bisschen unsicher, wo ich das hinpfostiere, deshalb einfach DACH.)

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https://archive.ph/zhdpC

#Pingpong bis zum Tod

Mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ wollte Annalena Baerbock vieles besser machen. Doch Versuche von Ärzten, schwer verletzten Kindern aus Gaza zu helfen, scheitern weiter an Verwaltungsakten.

Wie philanthropisch und gerecht sie doch klingen, die Leitlinien der feministischen Außenpolitik. Auf der Webseite des Auswärtigen Amts schickt Außenministerin Annalena Baerbock ihnen diese Zeilen voran: „Wir verfolgen eine feministische Außenpolitik, weil es bitter nötig ist. Weil Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt sind. Weil Frauen, aber auch Kinder oder Ältere in Konflikten besonders verletzlich sind.“ Wer Frauen schützt und fördert, so die Grundidee, fördert auch Frieden und Gerechtigkeit. Nicht weniger als eine Neuausrichtung der bisherigen Diplomatie hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen. Und ja: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alles in den Leitlinien der feministischen Außenpolitik fabelhaft klingt. Die Ungerechtigkeiten dieser Welt werden in ihnen aufgelistet und sollen angegangen werden.

Insofern hätte man in Berlin begeistert sein müssen, als Kerstin van Ark am 10. April „Geschafft!“ rief und durch ihre Wohnung tanzte. Die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie hatte es innerhalb weniger Wochen hinbekommen, Klinikbetten für schwer verletzte Kinder aus Gaza zu organisieren. Ihr Hilferuf hatte sich schnell verbreitet: 40 Chefärztinnen und Chirurgen in ganz Deutschland erklärten sich bereit, Kinder aus Gaza aufzunehmen und pro bono zu behandeln. Aus den ursprünglich 15 Kindern wurden bald 32, van Ark gelang es, für alle Behandlungsplätze zu finden.

Das jüngste Kind auf der ersten Liste von Kerstin van Ark – datiert auf den 17. März – ist zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Das kleine Mädchen heißt Ronza. Sie hat eine Oberschenkelverletzung mit komplizierter Fraktur durch eine Explosion. Am 10. April dann sind alle Kinder auf van Arks Liste grün markiert. Das bedeutet: Für alle ist ein Platz in einem deutschen Krankenhaus gefunden – und schriftliche Versicherungen, die eine kostenfreie Behandlung garantieren, liegen vor. Auch der Transport der Kinder ist finanziert. Die Flugambulanz für die kleinen Patientinnen und Patienten und deren Begleitpersonen will eine Hilfsorganisation übernehmen. Kerstin van Ark geht davon aus, dass ihre Arbeit damit getan ist. Bliebe noch ein wenig Papierkram: Daniela Neuendorf von der Kölner Refugees Foundation und der Chirurg Jan Wynands sollen sich um die Visa kümmern. Der Chirurg kennt die Situation vor Ort, im Februar und März hat er drei Wochen lang in Rafah operiert, im European Gaza Hospital, täglich bis zu zwölf Eingriffe.

Werden die Wunden nicht behandelt, drohen drastische Folgen

Es sind keine Schürfwunden, die die Kinder auf der Liste haben. Es sind Schwerverletzte, die in Gaza nicht ausreichend behandelt, nicht umfassend versorgt werden können. Die Kinder wurden von „Gaza Kinder Relief“ ausgewählt, einer Partnerorganisation. Krankenakten und Bilder der Verletzungen wurden nach Deutschland geschickt und von Fachärzten begutachtet. Wynands weiß genau, welche Behandlungen in Gaza möglich sind – und welche nicht.

Ein Teil der Kinder hat so gravierende Verletzungen, dass es primär um lebensrettende Maßnahmen geht, etwa bei Verletzungen des Zwerchfells oder der Eingeweide. Häufig sind sie durch Explosionen entstanden, die sowohl zu Verbrennungswunden, als auch zu ausgeprägten Schäden an Weichteilgeweben und inneren Organen führen können. Oder zu Verletzungen der Gliedmaßen, bei denen bei richtiger Behandlung Arme und Beine noch gerettet werden könnten. Zwei Fälle lehnen die Ärzte aus Deutschland ab, sie können auch in Gaza behandelt werden. Die restlichen Kinder hätten dort keine Chance, gerettet zu werden.

„In der Regel handelt es sich um dringende, aber nicht um Notfalloperationen“, sagt Wynands. „Doch wenn die Wochen vergehen, kommt es häufig zu einer Infektion, die oft zwangsläufig Amputationen erforderlich macht.“ Ein weiteres Problem in Gaza: Die Menschen sind mangelernährt, was Heilungsprozesse erschwert. Es sind massive Wunden, die bei Nichtbehandlung zu Behinderung und Siechtum, im schlimmsten Fall zum Tode führen, so Wynands.

Die Verhältnisse in dem Krankenhaus, in dem er operierte, hätten das Vorstellbare teils überschritten. Menschen, die hier Zuflucht suchten, bauten auf dem gesamten Gelände Zelte auf, spannten Planen für ein wenig Schatten. „Tausende“, berichtet der Chirurg. „Sie waren überall – auf den Gängen des Krankenhauses, in den Ecken des Treppenhauses. Sie lagerten und campierten, mit einem Stück Pappe oder Plane bedeckt.“ Alles sei dreckig gewesen, laut. „Die Notaufnahme ist ein Sinnbild für die Situation vor Ort: Hier kommt der Krieg frisch rein, auch Menschen, die es gar nicht mehr in den OP schaffen, sie verbluten oft bereits zuvor.“ Menschen, die ihre Angehörigen suchen, schreiende Frauen, weinende Kinder. Oft 20 oder 30 Schwerverletzte auf einmal, dann beginnt die Triage.

Kann man es den Kindern zumuten, ohne Begleitung ins Ausland geschickt zu werden?

Nie jedoch hätten Wynands, van Ark und Neuendorf erwartet, was sie in den nächsten Monaten bei dem Versuch der Zusammenarbeit mit deutschen Behörden erleben würden. Zunächst suchen sie das Gespräch mit der deutschen Botschaft in Kairo, da die Kinder über Ägypten ausgeflogen werden sollen. Mehrfach, so berichten es mit dem Vorgang Vertraute, sei das Thema zwischen Kabinettsmitgliedern diskutiert worden – ohne Ergebnis. Wochen vergehen. Schließlich folgen Online-Gespräche mit dem Auswärtigen Amt zur Beantragung der Visa für die verletzten Kinder. Dabei sei geraten worden, es zunächst ohne Begleitpersonen zu versuchen.

Als sie in Erwägung ziehen, die Kinder tatsächlich ohne Begleitpersonen auszufliegen, es zumindest mit einem oder zweien zu probieren, rät Sally Becker von „Save a Child“ vehement davon ab, ihrer Partnerhilfsorganisation in Großbritannien. Diese Kinder seien akut traumatisiert, es müssten lebensverändernde medizinische Entscheidungen getroffen werden, für die sie die Verantwortung nicht übernehmen könnten. Auch Mechthild Sinnig, stellvertretende Chefärztin der Kinderchirurgie in Hannover, rät ab: „Wir halten es für unabdingbar, dass die schwer verletzten Kinder mit einer Begleitperson ausgeflogen werden, unabhängig vom Alter. Wir haben es in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass über andere Hilfsorganisationen Kinder ohne einen Angehörigen in ein deutsches Krankenhaus verbracht wurden und dort maximal sekundär traumatisiert wurden.“ Durch Heimweh, durch Kulturschocks, durch Einsamkeit.

Kerstin van Ark schreibt nun neue Listen. Auf ihnen sind inzwischen einige Namen von Kindern rot markiert. Das bedeutet im besten Fall, dass sie in ein anderes Land ausgeflogen wurden. Im schlechtesten Fall heißt es, dass sie tot sind.

Die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts wollen sich weiter bemühen, heißt es. Kinder sind der Außenministerin ein großes Anliegen – insbesondere die in Gaza. Zumindest erwähnt Annalena Baerbock sie häufig in ihren Reden. „Gaza ist der gefährlichste Ort auf der Welt für Kinder“, zitiert Baerbock im November die Worte der Unicef-Chefin. „Diese Eltern, diese Kinder, die Familien können sich nicht einfach in Luft auflösen“, sagt sie im Februar, Israels Recht auf Selbstverteidigung beinhalte keines zur Vertreibung. Und am 24. März warnt Baerbock: „Und in der Hölle von Gaza sind mehr als eine Million Kinder, Frauen und Männer von Hunger bedroht. Das darf keinen Tag so weitergehen.“ Tut es aber, und so reagiert die Außenministerin erst neulich, beim „Talk im Tipi“, einer Veranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten zu „75 Jahre Grundgesetz“ in Berlin, emotional auf Kritiker, die ihre Rede immer wieder unterbrechen: „Wenn sie offensichtlich nicht reden wollen, das tut mir leid, so kann man auch keine Kinder in Gaza retten.“

Bereits neun Tage zuvor, am 16. Mai, musste das Bein von Kareem amputiert werden. Kareem ist 14 Jahre alt, auch er stand auf der Liste der Chirurgen. Wäre er in Deutschland behandelt worden, hätte sein Bein vermutlich gerettet werden können.

Endlich gibt es ein Gespräch mit dem Innenministerium. Der Durchbruch?

Die Presse möchte Kerstin van Ark zu diesem Zeitpunkt noch nicht kontaktieren, „um den Verhandlungsprozess nicht zu gefährden“. Doch die Helfer sind bereits verärgert: „Wie kann es sein, dass derweil über 100 Kinder nach Italien, mehrere verletzte Kinder in die USA, nach Abu Dhabi, Algerien, Oman und Kuwait verbracht wurden und es nicht gelingt, die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, wo doch alles organisiert ist?“, fragt Frank Peter, Gründer der an der Aktion beteiligten Organisation Placet, mit der plastische Chirurgen Terror- und Gewaltopfern helfen. „Wir waren immer wieder an einem Punkt, an dem wir weder vor- noch zurückkamen“, sagt van Ark und holt tief Luft. „Mehrmals waren wir kurz davor aufzugeben. Aber menschlich konnten wir das nicht übers Herz bringen. Gerade wenn man weiß, dass hier 40 Betten bereitstehen, die man mit schwer verletzten Kindern aus Gaza füllen kann und möchte.“

Dann gibt es endlich ein gemeinsames Gespräch mit dem Ministerium des Innern. Wenn dieses Gespräch geschafft ist, hofft van Ark, gelingt ein Durchbruch. Am 10. Juni findet das Treffen statt. Das Ergebnis: niederschmetternd.

Die Position des Ministeriums bleibt hart: Man müsse Sicherheitsrisiken bei Begleitpersonen beachten, hinzu käme eine unklare Rückkehrperspektive – man fürchtet also, Terroristen oder Asylbewerber ins Land zu holen. Auf Anfrage der SZ schreiben Innen- und Außenministerium, eine Einreise von Kindern unter zwölf Jahren zur Behandlung sei „grundsätzlich möglich“. Im Weiteren seien die Häuser in Abstimmung, „unter welchen Voraussetzungen die Einreise von Begleitpersonen realisiert werden kann, die für die Heilungsprozesse der schwer verletzten Kinder wichtig“ sind. Die Abstimmung dauert offensichtlich immer noch an.

Die Chirurgen sind fassungslos, auch deshalb wenden sie sich jetzt an die Öffentlichkeit. Kerstin van Ark meint, sie sei eher maßlos enttäuscht als wütend. „Ich dachte, wir leben in einem humanitären Land. Deshalb haben wir auch nicht aufgegeben.“ Sie könne es nicht nachvollziehen, dass man in schwer verletzten Kindern ein Sicherheitsrisiko sehen kann. „Es ist ein bisschen so, als würden die Pingpong mit einem spielen. Manchmal hat man den Eindruck, dass sie einen so lange von Behörde zu Behörde schicken, bis sich das Problem von allein gelöst hat – und alle verstorben sind.“

Van Arks Liste ist heute fast vollständig rot. Die Kinder sind entweder in andere Länder gebracht worden, nicht auffindbar oder eben tot. Weswegen sich die verhinderten Helfer heftige Vorwürfe machen. „Hätten wir geahnt, dass es nichts wird, hätten wir viel eher gesagt: Verteilt die Kinder anders“, sagt van Ark. „Das ist eine Last, die wir nun tragen müssen. Dadurch, dass wir so lange warten mussten, sind jetzt Kinder gestorben, die auf unsere Hilfe warteten.“

Ist das Konzept der feministischen Außenpolitik also vor allem viel Schein und wenig Sein? Worthülsen, die in ihrer praktischen Umsetzung an ihre Grenzen stoßen? Als Annalena Baerbock im November in Bezug auf die Kinder von Gaza sagt, es mache ihr Sorgen, dass oft nicht die Menschen im Vordergrund stünden, sondern die Bekenntnisse – da meinte sie jedenfalls nicht das eigene Haus. Sondern die reflexhafte Parteinahme vieler für entweder die eine oder andere Seite.

Der Begriff „feministische Außenpolitik“ führt oft zu Missverständnissen

Offenbar hat Ende Juni nun das israelische Militär in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen 68 Kinder mitsamt Begleitpersonen aus Gaza gebracht. Selbst Israel hat die Notwendigkeit erkannt, dass diese Kinder dringend eine medizinische Behandlung benötigen – vielleicht kommen nun doch noch welche von ihnen nach Deutschland. Eines der Kinder steht auch auf der Liste von Kerstin van Ark.

Und so wird sie tun, was auch Baerbock vor wenigen Tagen zumindest ankündigte: weitermachen. Am 26. Juni sagt die Außenministerin auf der Herzliya-Sicherheitskonferenz in Israel: „Die Hände resigniert in den Schoß zu legen, ist keine Option, denn dadurch wird weder der Schmerz der Familien der Geiseln beendet noch das Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza.“

Gemessen an den Resultaten ist die bisherige Bilanz bei der Umsetzung der feministischen Leitlinien dürftig. „Aus den vorgenannten Gründen konnten bislang keine entsprechenden Visa verteilt werden“, schreibt das Außenministerium und verweist neben der Frage nach den Begleitpersonen auch darauf, dass die Grenze zwischen Gaza und Ägypten ohnehin geschlossen sei.

Die Diskrepanz zwischen den Zielen der Chefdiplomatin und ihren Ergebnissen wird von Krise zu Krise sichtbarer. Vielleicht weil sowohl das Konzept als auch Baerbock im Ernstfall an ihre Grenzen stoßen. Vielleicht weil eine neue feministische Außenpolitik in einem mehrheitlich von Männern besetzten Ministerium nicht so einfach durchzusetzen ist. Und ziemlich sicher hakt es wie schon in anderen Fällen zuvor bei der Zusammenarbeit zwischen dem Außenamt, bei dem die Nöte dieser Welt anbranden, und dem Innenministerium, das vor allem an Recht und Ordnung interessiert ist.

Der Begriff „feministische Außenpolitik“ führt oft zu Missverständnissen – nicht etwa, weil er so schwer zu verstehen ist. Sondern vor allem, weil er Hoffnungen und Erwartungen schürt. Die Mütter der schwer verletzten Kinder aus Gaza werden sich einreihen in die Gruppe enttäuschter Frauen aus Afghanistan und Iran, die auf Unterstützung oder Evakuierung hofften und außer leeren Worten wenig von der feministischen Außenpolitik Deutschlands gespürt haben. Ihre Leitlinien aber, die klingen nach wie vor wirklich fabelhaft.

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Attack is a sign of the Kremlin’s more aggressive clandestine operations, security officials say

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In the aftermath of last month’s blaze on the outskirts of the German capital, German investigators said the cause was likely an accident. But Western security officials now say the fire was set by Russian saboteurs trying disrupt shipments of critical arms and ammunition to Ukraine.

European countries, seeking to avoid escalation, have been cautious about publicly blaming Moscow, but privately security officials say Russia appears to be stepping up attacks on civilian and military sites and people in Europe connected with efforts to help Ukraine fend off invading Russian troops.

[...]

Since the start of Russia’s full-scale invasion of Ukraine in February 2022, the security officials said, dozens of incidents have taken place across Europe, many potentially the work of Russia’s intelligence services aiming to curb arms production, pressure politicians and sow panic.

Targeting civilian infrastructure, such as wind farms and pipelines, also aims at intimidating investors as European economies are struggling, officials say. Data cables and pipelines in the Arctic and the Baltic Sea regions were cut by civilian ships linked to Russia, according to prosecutors, investigators and government officials.

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“It is part of a hybrid war waged against us by Russia against which we have to defend ourselves and which we must stop,” the Czech Prime Minister Petr Fiala said about the case. “Russia is repeatedly trying to sow unrest and undermine our citizens’ trust in the state.”

Suspected attacks that were planned or have taken place in the past two years include sabotage of critical infrastructure in the Baltic Sea and the Arctic; an arson attack in Britain, which triggered the expulsion of the Russian military attaché from the country; and a simultaneous cutting of two data cables that paralyzed part of the German railway system for hours.

Two German-Russian dual nationals were arrested in Germany on suspicion of planning attacks on American military bases and other targets, shortly before caches of explosives were discovered buried along a special overland pipeline that supplies air force bases in Germany.

https://archive.is/QcCfK

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Die Polizei als Quelle von Berichterstattung.

Danke an @folix für's aufmerksam machen!

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Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hat mit seinem Wolfsgruß im EM-Spiel gegen Österreich für Aufsehen gesorgt. Die Linke verlangt nun ein Verbot der rechtsextremistischen „Grauen Wölfe“ in Deutschland, wie es in anderen Ländern bereits der Fall ist. Politiker von Grünen und CDU schließen sich der Forderung an.

Nach dem Wirbel um den Wolfsgruß des türkischen Nationalspielers Merih Demiral hat die Partei Die Linke ein Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland gefordert. „Wenn ein Fußballspieler in Deutschland ungestraft den Gruß der Rechtsextremisten zeigen kann, muss das ein Weckruf sein für die Bundesregierung. Die Ampel muss die faschistische Terrororganisation Graue Wölfe endlich verbieten. Dann wäre auch das Zeigen des Wolfsgrußes strafbar“, sagte Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert dem Berliner „Tagesspiegel“.

In vielen EU-Staaten seien die Grauen Wölfe zu Recht verboten. „Nur die Bundesregierung schaut weg und will das Problem nicht erkennen“, sagte Schubert. Unter anderem forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) via X, der Wolfsgruß müsse verboten werden. Auch die CDU plädiert dafür.

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Die in Deutschland meistgekaufte App Blitzer.de Pro aus dem Play Store nutzt nun eine OpenStreetMap basierte Karte und hat eine Navigationsfunktion eingeführt bei der vor Staus und Gefahrensituationen gewarnt wird.

Ein großer Durchbruch für OpenStreetMap. Mit diesem Update können 1 Mio Nutzer die Navigationsalternative nutzen. Die Kartendaten von OpenStreetMap sind an einigen Stellen in Deutschland deutlich detailreicher als die kommerziellen Kartenanbieter. Fehler können zudem sehr einfach auf www.osm.org anonym gemeldet werden oder mit einem Account selbst korrigiert werden.

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