SapphireSphinx

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Viele Autokraten sind demokratisch gewählt – und beginnen dann, den Rechtsstaat zu ihren Gunsten umzubauen. Die Journalistin und Historikerin Anne Applebaum über Autokratien.

Die Pulitzerpreisträgerin und Historikerin Anne Applebaum beschäftigt sich seit Jahren mit Autokratien. Vor der Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban im Europäischen Parlament in Straßburg hat Applebaum mit ZDFheute über Orban und die EU gesprochen. Über Wladimir Putin und autokratische Warnsignale. Über Macht und Geld. Und darüber, was ihr Hoffnung gibt.

ZDFheute: Viktor Orban hat die ungarische EU-Ratspräsidentschaft unter den Slogan gestellt: "Make Europe Great Again" - eine klare Referenz an Donald Trump.

Anne Applebaum: Orban hat diesen Slogan benutzt, um Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten. Ich bezweifle sehr, dass Trump an der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft interessiert ist, oder davon weiß.

[...]

ZDFheute: In Polen wurde Donald Tusk zum Regierungschef gewählt. Wie leicht ist es, autokratische Strukturen zurückzudrehen und die Demokratie wieder zu stärken?

Applebaum: Es ist sehr schwierig, den Schaden zu beheben, den eine autokratische Partei angerichtet hat, deren Ziel es war, den Staat gefangen zu nehmen. Besonders dramatisch ist die Lage im polnischen Justizsystem. Das wird über viele Jahre damit beschäftigt sein, welche Richter demokratisch legitimiert sind, welche nicht.

ZDFheute: Sie sprachen gerade davon, dass der "Staat gefangen genommen wird" - wie funktioniert das, wie bauen Autokraten ihre Macht aus?

"Demokratien werden häufig nicht durch einen Umsturz oder einen Militärputsch abgeschafft. Die meisten von ihnen brechen zusammen, weil demokratisch gewählte Staats- und Regierungschef die Regeln des Systems verändern."
- Anne Applebaum, Journalistin und Historikerin

Applebaum: Manchmal in der Justiz, manchmal beim Fluss von Information, manchmal wird das Wahlsystem geändert. Im Fall von Ungarn hat Orban die Verfassung mehrfach geändert, um seine Siegchancen zu verbessern.

[...]

ZDFheute: Sie haben von Korruption gesprochen - wie sehr geht es um Macht, wie sehr um Geld?

"Es geht viel um Geld. Was die Diktatoren unseres Jahrhunderts von denen der vorherigen unterscheidet, ist, dass sie fast alle Milliardäre sind."
- Anne Applebaum, Journalistin und Historikerin

Applebaum: Oft wissen wir nicht, warum sie das Geld haben, aber wir wissen, dass sie, ihre Familie und ihre engsten Verbündeten sehr viel davon haben. Der Wunsch, dieses Geld zu beschützen ist einer der stärksten Gründe, warum sie so sehr gegen ziviles Engagement sind.

[...]

 

Bei der Nachwahlbefragung der Landtagswahlen in Brandenburg wurde „soziale Sicherheit“ als wichtigster Grund für die Wahlentscheidung angegeben. Ich frage mich: Warum reden dann alle bloß über Migration?

[...]

Trotz des angeblich so großen Wunsches nach sozialer Sicherheit hat in Brandenburg jede dritte Person die AfD gewählt. Was die AfD verspricht, wissen wir. Es ist so simpel wie menschenfeindlich und rassistisch: „Remigration“ im „großen Stil“. Im Klartext: die massenhafte Deportation von Menschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Als würden damit auch nur ansatzweise Verteilungskämpfe geklärt, Brücken saniert oder Renten im Alter üppig. Und als würde dann die Bahn wieder pünktlich kommen.

Die tatsächlichen Probleme in unserem Land fallen durch die Nebelkerze der Migrationsdebatte ganz praktisch unter den Tisch. Schulgebäude sind so marode wie die Brücken. Der Deutsche Lehrerverband vermeldet bereits 2023 bis zu 40.000 unbesetzte Lehrerstellen. Auch in den Kitas fehlen Erzieherinnen und infolgedessen bereits 400.000 Kita-Plätze. Jeder Fünfte arbeitet im Niedriglohnbereich, die Altersarmut nimmt zu. Selbst wer 40 Jahre zum Mindestlohn arbeitet, landet geradewegs in Altersarmut. Horrende Mieten machen allein das Wohnen für einen Großteil der Bevölkerung zur Herausforderung.

Der Druck auf Menschen im unteren Lohnsegment wächst. Mehr Sanktionen, weniger Bürgergeld, schlechtere Verhandlungsgrundlage, größere Schmach und größeres Stigma für Menschen, die Sozialleistungen beziehen müssen, tun ihr Übriges. Abstiegsangst wird mit Schmarotzer-Rufen übertönt. Als wäre das alles nicht genug, wurde durch die Privatisierungen der 1990er Jahre unser Gesundheitssystem zur Gesundheitswirtschaft. Hier gelten andere Gesetze als im einstigen Solidarsystem. Der Markt regelt aber nur die Gewinne von Privatkliniken. Dumm gelaufen. Denn Gesundheit ist keine Ware.

Fehlende Kita-Plätze, Pflegenotstand und Lehrermangel, keine Arzttermine, schlecht bezahlte Arbeit, all das hat Auswirkungen auf die Menschen, ihr soziales Sicherheitsgefühl und -erleben. Kürzungspolitik in der Rezession führt nachweislich zum Aufstieg rechter Parteien. Das belegen renommierte Studien ganz klar – an die „glaubt“ Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber nicht.

Die Antwort könnte so einfach sein: Sozialer Wohnungsbau, Mietpreisdeckel, Bildungsinvestitionen, faire Löhne, ein angemessenes Rentenniveau, ein armutsfestes Bürgergeld, flächendeckende Gesundheitsversorgung, ein progressives Steuersystem. Wenn dann noch die Bahn halbwegs pünktlich führe und das Deutschlandticket für alle bezahlbar wäre … dann wäre soziale Sicherheit kein weit entfernter Wunschtraum mehr, der angeblich durch ein paar Asylsuchende gefährdet werden könnte, sondern Realität. Niemand mehr müsste wütend die Menschenrechte mit Füßen treten. Niemand müsste mehr nach unten treten. Das muss natürlich auch jetzt niemand, aber leider passiert es und wird aktiv gepusht durch eine Politik, der die Menschen im Gegensatz zu Umfragewerten scheißegal sind. Medien, die für gute Klickzahlen jede noch so grundgesetzferne Forderung zur Schlagzeile machen, spielen bei diesem Spiel mit.

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submitted 1 month ago* (last edited 1 month ago) by SapphireSphinx to c/nahost
 

Über die große Hilflosigkeit gegenüber der Lage im Nahen Osten und was wir daraus machen - Großbritannien und die deutschsprachige Welt im Vergleich. Oder: Ein Gespräch mit Yair Wallach, Professor für israelische Studien an der Londoner SOAS.

[...]

Die mit konkurrierender Stabilität gefochtenen Stellvertreterdebatten verkommen so zur Verhöhnung derer, die körperlich konkret in die Gewalt jener Widersprüchlichkeiten verwickelt werden. Und mir ist schon bewusst, dass ich mich mit diesem Argument selbst auf das nächsthöhere Ross setze. Die moralische Eskalation züchtet diese Rösser, das ist der Punkt.

Nachdem mich die FM4 Redaktion wie gesagt eingeladen hatte, einen erklärenden Beitrag zur britisch popkulturellen Perspektive auf den Nahen Osten zu liefern, dachte ich mir also: Du wirst wieder einmal erklären müssen, wie gänzlich anders unsere Medienrealität ist, wie ständig präsent die unerträglich blutige Evidenz der Bombardements, eine permanente Herausforderung an die eigene Menschlichkeit. Aber darüber hinaus musst du hier endlich einmal die Metaebene verlassen. Und wenn du dazu selbst nicht genug weißt, dann frag eben wen Schlaueren.

Also hab ich mich am vergangenen Wochenende nach Hackney im Osten Londons aufgemacht, um eine (mir) vertrauenswürdige Stimme zum Thema anzusprechen. Yair Wallach, in Israel geboren und aufgewachsen, ist seit 2001 in London ansässiger Senior Lecturer an der SOAS, der School of Oriental and African Studies der University of London mit Spezialgebiet Israelische Studien, der in vergangenen Jahren als dezidierter Kritiker des Antisemitismus in der britischen Linken und Kulturszene aufgetreten ist. Man darf also behaupten, er weiß, wovon er spricht, nicht nur in Sachen Israel/Palästina, sondern auch in Bezug auf das Klima an Großbritanniens Universitäten.

[...]

RR: Sie haben ja täglich mit Studierenden zu tun, und viele junge Menschen in Großbritannien nehmen für die Seite der Palästinenser:innen Partei. Finden Sie das problematisch oder verständlich?

YW: Größtenteils finde ich es verständlich. Wenn man sich Gaza ansieht, das ist eine der schlimmsten militärischen Kampagnen im 21. Jahrhundert. Die Zivilbevölkerung wird angegriffen, es gibt Zehntausende Tote und eine völlige Zerstörung der Lebensgrundlagen für zwei Millionen Menschen. Und angesichts der Tatsache, dass Israel als liberaler, demokratischer Verbündeter gesehen wird, ist es meiner Meinung nach nicht überraschend, dass die Leute darüber betroffener sind als über andere Krisen, die auf der Welt passieren. Objektiv betrachtet ist das, was im letzten Jahr vorgefallen ist, sehr ernst und auf gewisse Weise vergleichbar mit Syrien, aber in einem viel kürzeren Zeitraum und unter direkter Verwicklung von Europa, Großbritannien, den USA usw. Ich denke also, die Reaktion ist verständlich. Ich glaube, jede andere Reaktion wäre eigenartig.

RR: Ist es antisemitisch, wenn eine Band wie Massive Attack die Parole „Free Palestine“ verwendet? [Zur Illustration: Auf meiner österreichischen Facebook-Timeline (nicht lachen, Gen Z) scheint das quasi außer Debatte zu stehen, man spricht von „falsch abgebogen“ oder „Hamas-Fans“ - die britische Gratis-Zeitung Metro (ungefähres Äquivalent von Heute oder oe24) berichtete dagegen über Massive Attacks Engagement gemeinsam mit Fontaines DC und Young Fathers als „important cause“]

YW: Nein, überhaupt nicht. Man hat da ein Volk, das seit mehr als 75 Jahren von Besatzung und Vertreibung betroffen ist, und dies ist ein besonders zugespitzter Moment. Lassen sie es mich so sagen: Ein Antisemit kann „Free Palestine“ sagen, aber er würde dazu noch viele andere antisemitische Dinge von sich geben. Den Satz selbst kann ich nicht als Basis für so ein Urteil sehen.

RR: Sprechen wir vom Gebrauch des Wortes „Genozid“. Ist seine Anwendung auf die Kriegshandlungen in Gaza automatisch antisemitisch? In Diskussionen im deutschsprachigen Raum wird es nämlich so verstanden. Und während das G-Wort etwa im London Review of Books ganz selbstverständlich verwendet wird, wäre das in einem vergleichbaren Magazin im deutschsprachigen Raum undenkbar. Wie stehen Sie dazu?

YW: Es ist die Zerstörung von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden und Infrastruktur, die Gaza unbewohnbar macht. Ob es nun die Absicht ist, buchstäblich alle Palästinenser:innen umzubringen oder nicht, der Grad an Zerstörung macht das Leben für die Bevölkerung von Gaza auf lange Sicht unmöglich. Das ist die Lage. Da ich mir der Sensibilitäten und Debatten über die Wortwahl bewusst bin, versuche ich mich nicht darin zu verzetteln.

Aber ich denke, wenn die Leute verstehen und fähig sind, sich damit auseinanderzusetzen, was passiert, dann ist der Grad and Zerstörung unbestreitbar. Und auch der Mangel an nötiger Hilfeleistung, medizinischer Versorgung und so weiter. Es ist sehr klar, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden, und dass zumindest vonseiten mancher Militäreinheiten ein sehr bewusster Versuch vorliegt, den Ort unbewohnbar zu machen. Wenn man das tut, dann will man, dass die Leute entweder von dort verschwinden oder sterben. Und ich denke, das ist die wichtigste Sache, die man sehen muss.

Wenn man es gegen andere Episoden im 20. oder 21. Jahrhundert abwägt, die als Genozid bezeichnet wurden, wie zum Beispiel Bosnien oder Myanmar, dann denke ich: Ja, es lässt sich vergleichen. So gesehen habe ich also kein Problem damit, wenn Leute dieses Wort verwenden. Der Ausdruck an sich ist aber problematisch, und hier folge ich der Sichtweise von Dirk Moses, einem sehr einflussreichen Genozidforscher, der der Kategorie Genozid sehr skeptisch gegenübersteht, gerade weil sie zu dieser Art von Diskussion einlädt.

Rechtlich gesehen liegt die Latte für Genozid extrem hoch. Es ist eine sehr schlagkräftige Anklage, aber auch eine, deren Kriterien sich nur schwer erreichen lassen. Was ich vorziehe, ist, über genozidale Akte und Rhetorik zu sprechen, denn das ist leicht zu beweisen. Ich denke, man kann reichlich genozidale Rhetorik feststellen und Akte, die man begründet als genozidal bezeichnen kann. Was mir aber Angst macht, ist, was an noch viel Schlimmerem folgen könnte. Das ist meiner Ansicht nach wichtiger als die Wortwahl.

RR: Ich höre in meiner Wahrnehmung des deutschsprachigen Diskurses reichlich Stimmen, die bereits die Forderung nach einem Waffenstillstand als [Forderung an Israel zur Aufgabe seines Rechts auf Selbstbehauptung und somit als] antisemitisch interpretieren.

YW: Die Mehrheit der israelischen öffentlichen Meinung ist dafür, den Krieg zu beenden, um die Geiseln freizubekommen. Die überwiegende Mehrheit der Geiselfamilien bettelt um einen Waffenstillstand. Unter diesen Umständen zu sagen, die Forderung nach einem Waffenstillstand sei antisemitisch, ist aus meiner Sicht eine Travestie. Es bedeutet, dass die Leute, die das sagen, den Familien der Geiseln und der israelischen Gesellschaft nicht zuhören.

RR: Gerade in Ihrem Forschungsgebiet gab es Stimmen, die die Ereignisse des 7. Oktober gefeiert haben. Wie hat das auf Sie gewirkt?

YW: Ich kann die augenblickliche Reaktion mancher Menschen auf den Morgen des 7. Oktober nachvollziehen, wenn sie die Palästinenser:innen unterstützen und das vordringlich als eine Militärattacke sahen, um die Grenze zu durchbrechen und Israels Militär anzugreifen. Ja, ich kann sogar verstehen, warum manche Leute das feierten.

Aber für mich wurde bald offensichtlich, als ich Berichte aus den Orten sah, die angegriffen worden waren, dass die Hauptbetroffenen Zivilist:innen und Kibbutzim sein würden. Mit den Leuten, die weiterfeierten und ihre Aussagen nicht zurücknahmen, gibt es also ein klares Problem. Manche Leute nahmen es zurück, bei anderen dauerte es ganz schön lange, und viele Leute taten es gar nicht. Ihre Tweets, die die Attacke abfeierten, sind immer noch da, und das sind viel mehr, als ich gern gesehen hätte.

[...]

RR: Man spricht von einem Klima der Angst unter Jüd:innen vor antisemitischen Übergriffen an den britischen Universitäten. Sie arbeiten selbst als Jude an einer Londoner Uni. Haben Sie Angst?

YW: Ich bin ein israelischer Jude. Ich bin in einer Mehrheitsgesellschaft aufgewachsen, in hegemonialen Kreisen dieser Gesellschaft. Daher hatte ich nie die prägende Erfahrung, als Teil einer Minderheit in einer nicht-jüdischen Gesellschaft aufzuwachsen, so wie Diaspora-Jüd:innen das kennen. Das bedeutet, dass ich mich weniger bedroht fühle. Wenn ich [Antisemitismus] begegne, macht er mich zwar zornig, aber nicht so sehr beängstigt. Ich hatte das Glück, in meiner Kindheit diese Art von Dingen nicht erlebt zu haben.

Ich habe persönlich keine Angst, nicht auf meiner Universität, nicht unter den Studierenden, nicht auf Demonstrationen. Aber ich kenne Freund:innen, Kolleg:innen und Familienmitglieder, die diese Angst aus guten Gründen sehr wohl haben. Ich kenne Leute, die bösartige, antisemitische Kommentare zu hören bekamen, die attackiert wurden, weil sie in der Öffentlichkeit hebräisch sprachen, oder auf der Straße angebrüllt wurden. Ich verstehe, dass sie Angst haben. Aber ich kenne auch palästinensische Kolleg:innen, die Angst haben. Und ich denke, das sollte man aussprechen.

RR: Wegen Islamophobie oder wegen anti-palästinensischem Rassismus?

YW: Beides, aber vor allem anti-palästinensischer Rassismus, insbesondere seit dem 7. Oktober. Manche Kolleg:innen sind extrem verwundbar und bedroht, werden verleumdet und attackiert. Ich habe das in mehreren Fällen erlebt. Ich versuche immer zu helfen, wo ich kann, aber beide dieser Dinge gibt es. Und ich denke, die Auswirkungen für die Palästinenser:innen können schlimmer sein.

 

Ein großer Krieg mit Iran folgt der Logik von Israels Regierung, sagt der Historiker Moshe Zimmermann. Um diese aufzubrechen, müsste Europa handeln. Auch Deutschland.

https://archive.is/nTB0S

 

Bessere Behandlung, flächendeckende Versorgung – das sind die Ziele der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Mit insgesamt insgesamt 50 Milliarden Euro will Lauterbach die Krankenhauslandschaft stärken. Doch nicht alle werden dabei gleichermaßen an den Kosten beteiligt: Die Hälfte der Summe kommt aus Steuergeldern, die andere Hälfte sollen ausschließlich die gesetzlich Versicherten bezahlen. Ausgerechnet Privatversicherte mit zumeist höheren Einkommen werden geschont.

[–] SapphireSphinx 32 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

Ah, die Wahlen nahen. Die SPD holt eimerweise rote Farbe aus dem Keller. Jetzt endlich ist die SPD sich sicher, was sie eigentlich will, wenn sie nächstes mal als Juniorpartner der CDU am Trog sitzen sollte.

Bisher war man ja nur größter Partner in einer Koalition. Jetzt strebt man die Position des Juniorpartners an. Dann geht es richtig ab! So wie in all den Jahren seit 1998 in denen die SPD regiert hat. Bis auf die ganzen 4 Jahre halt wo sie mal in der Opposition war.

 

[...]

Die Aussage des Vorgesetzten im Schützenzelt schien sich zu bewahrheiten: Die beiden Polizisten am Schalter der Wiesnwache schienen den Gast von vornherein nicht ernst zu nehmen, als er ihnen von dem Vorfall berichtete. Weder zeichneten sie seine Aussagen auf, noch protokollierten sie seinen Namen oder andere Daten zur Person; sie fragten auch gar nicht erst danach.

[...]

Müller verließ die Wache, ohne Anzeige erstattet zu haben, und die Beamten ließen ihn wortlos gehen. Im Nachgang sagte der Mann zu t-online: "Das Verhalten der Polizisten hat meinen Glauben in den Rechtsstaat stark erschüttert."

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[...]

Man muss sich kurz vor Augen halten, dass der Mangel, von dem gerade viele sprechen, ein Mangel an Geld, Kompetenz und Zuversicht, etwas erstaunlich Neues ist. Wäre das 19. Jahrhundert so kleinmütig gewesen wie unsere Gegenwart, die Bahn wäre nie gebaut worden. Auch gäbe es keine Stromtrassen, Kläranlagen, Wasser- und Gasleitungen, fast die gesamte Infrastruktur, Straßenlaternen, Parkanlagen, Fußgängerbrücken, verdankt sich einem kollektiven Wollen und dem Glauben daran, dass man heute etwas erdenken, planen und errichten muss, damit morgen oder auch erst übermorgen die Welt anders ausschaut. Infrastruktur hört sich nach Technik an, gemeint ist aber Selbstlosigkeit: die allgemeine Bereitschaft, etwas ins Werk zu setzen, das sich erst für künftige Generationen rechnen wird.

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https://archive.ph/co9aI

 

Die ostdeutschen Anhänger der AfD und die österreichischen der FPÖ sind keine verirrten Protestwähler. Sie wollen die Gefühlsrohheit.

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Als er vor drei Jahrzehnten seine Laufbahn als Kofferträger Jörg Haiders begann, hat man ihm eine erste Aufgabe in der Bildungsanstalt der Rechtspartei übertragen. Dort fragte ihn ein Kampfgefährte nach einiger Zeit, verwirrt vom Charakter des sonderlichen Kollegen: „Wenn du hier niemanden magst, was machst du dann hier?“

Gewiss, seine Partei hat 28,8 Prozent erreicht, was natürlich heißt, 71,2 Prozent haben ihn nicht gewählt. Aber was, wenn diese relative Mehrheit von 28,8 Prozent genau das wollte, genau einen solchen – und genau die Radikalität, genau den Irrwitz, die Niedertracht, genau die Böswilligkeit und den Extremismus, für den er und seine Truppe stehen? Und was, wenn die 30 Prozent und mehr AfD-Wähler im Osten Deutschlands genau das Gleiche wollen?

[...]

Der Ausländer? Wird zum Synonym für kriminell. Der Migrant: zum Syno­nym für Messerstecher. Schreit der Anführer „millionenfach abschieben“, klatscht das Publikum begeistert in die Hände. Begeistert von der eigenen Fiesheit. Lust an der Bösartigkeit. Die Anderen behandeln die Themen als „berechtigte Sorgen“, und schon wirkt die Bösartigkeit irgendwie als alltäglich.

[...]

In den Studien von Adorno und Co über den „autoritären Charakter“ wurden Sozialfiguren wie „der Rebell“ oder „der Spinner“ bereits als eine Randfigur faschistischer Bewegungen entdeckt, diese war aber damals gegenüber den anderen Typen des Konformistisch-­Autoritären noch peripher. Heute dominiert der Typus des „konformistischen Rebellen“, der sich in der Gemeinschaft der Starken aufgehoben fühlt, den Zuspruch seiner Bubble liebt, sich geknechtet und gegängelt fühlt, alle Regeln ablehnt, sogar vernünftige.

Der mit der Meute selbsterklärter „Selbstdenker“ blökt und sich als system­kritisch wähnt. Seine Parole ist nicht: Im Stechschritt voran. Sondern: „Nicht mit mir!“

[...]

In jüngerer Zeit hat die französische Philosophin und Psychoanalytikern Cynthia Fleury von Milieus voller Bitternis geschrieben. Sie spricht von einer „querulatorischen Paranoia“, einer „Vergiftung“, einer „Selbstvergiftung“ der Subjekte, die an realen, echten sozialen Problemen andockt, aber ins Maßlose eskaliert. Das „in das Ressentiment verliebte Subjekt“ erleidet einen „Verlust der Urteilsfähigkeit“. Fleury: „Eine Person, die diese Störung hat, gibt ihre Fehler nie zu, ist aggressiv und provoziert andere, hat unbeherrschte Wutausbrüche, ist pathologisch unaufrichtig, überempfindlich.“

Die extremistische Agitation schafft sich ihr Subjekt, montiert die Leute um, produziert ein Resonanzmilieu, das dann alle Überschreitungen als Befreiungen erlebt. Indem sie sich allerlei Grausamkeiten für Andere (Kritiker, Andersdenkende, Flüchtlinge, Faule, Systemlinge usw.) ausmalen, erleben sie einen gemeinsamen Lustmoment. Am Ende werden es wieder einmal ganz normale Leute gewesen sein.

Der harte Kern dieser Wählerschaft wünscht sich genau das, was er bekommt.

[–] SapphireSphinx 2 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

Da fühlt man sich ja fast gezwungen jeden Monat Gras zu kaufen, obwohl man es sonst vielleicht nicht gemacht hätte

20 Złoty, dass die CSCs in der aktuellen Ausgestaltung zu nicht kleinen Teilen folgendes Publikum anziehen: Freundes-/Familienkreise, die zusammenlegen, einen von sich da hin schicken, die 50g monatlich abholen lassen und das dann im Freundes-/Familienkreis aufteilen.

[–] SapphireSphinx 36 points 1 month ago* (last edited 1 month ago) (2 children)

Ex-Minister Spahn gibt sich weitgehend ahnungslos.

Das schon allein sollte Grund genug sein sich aus der Spitzen-Politik zurückzuziehen. Das kommt ihm also nicht in den Sinn?!

 

Erneut wirft ein Millionen-Geschäft während der Corona-Pandemie Fragen auf. Das Gesundheitsministerium ordert Beatmungsgerät, die es dann nicht braucht. Der Deal wird umgewandelt in eine Bestelloption. Diese wird nie gezogen, gezahlt wird dennoch. Ex-Minister Spahn gibt sich weitgehend ahnungslos.

[...]

Laut RND-Informationen ist das nur die halbe Wahrheit, denn die Regierung wandelte den Auftrag an Dräger in eine Option um, die ihr das Recht einräumte, ein Jahr lang Beatmungsgeräte im Wert von 200 Millionen Euro beziehen zu können. Dafür wurde eine ungewöhnlich hohe Optionsprämie von 90 Millionen Euro überwiesen, die mit möglichen Bestellungen verrechnet worden wäre. Diese Bestellungen aber sind nie erfolgt, die 90 Millionen Euro sind nach RND-Informationen nahezu vollständig in den Gewinn der Lübecker Familienfirma gewandert.

[...]

 

Politische Gefangene sollen in Belarus auf Feldern des sächsischen AfD-Politikers Jörg Dornau gearbeitet haben. Dessen Firma baut dort Zwiebeln an. MDR-Recherchen zeigen nun: Häftlinge könnten auch inhaftiert worden sein, um billige Arbeitskräfte zu bekommen. Die Vorgänge beschäftigen nun auch die deutsche Justiz.

[...]

Eine Person, die an den Geschäften von Jörg Dornaus Firma selbst beteiligt war, erklärte im Gespräch mit dem MDR:

"Das ist belarussische Politik, kostenlose Arbeitskräfte für die eigenen Interessen zu nutzen. Ich weiß nicht wie viele. Ich weiß nur, als Arbeitskräfte gebraucht wurden, haben sie angefangen, massenhaft Menschen zu verhaften. So viele wie nirgendwo sonst im Land. Und so wurden die normale Bevölkerung, die Arbeiter massenhaft, auch aus den Fabriken, verhaftet, damit Jörg Dornaus Firma Arbeitskräfte bekommt."

[...]

"Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Dornau nicht wusste, wer dort auf seinen Feldern arbeitet. Denn laut Gesetz ist es so: Wer bei sich Insassen von Haftanstalten arbeiten lässt, schließt einen Vertrag mit dieser Haftanstalt ab - und ist laut Gesetz selbst verpflichtet, Aufsicht über die Arbeitsbedingungen zu übernehmen."

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[–] SapphireSphinx 14 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

fast 97 Prozent der Erbschaften über 250 Millionen Euro sogar steuerfrei.

Das sind halt Leistungsträger. So eine Erbschaft muss Papa sich schließlich auch leisten können. /s

Die AfD will dagegen die Erbschaftssteuer ersatzlos abschaffen.

"Partei der kleinen Leute"™

 

Rund 400 Millionen Euro nimmt Hamburg pro Jahr durch die Erbschaftssteuer ein. Es könnte aber noch deutlich mehr sein, wenn es bei großen Erbschaften nicht zahlreiche Ausnahmen geben würde, hieß es am Mittwoch in der Bürgerschaft.

SPD und Grüne forderten eine Reform der Erbschaftssteuer auf Bundesebene - und bekamen dabei auch aus der Opposition Unterstützung. Je größer das Erbe, umso geringer der Steueranteil, rechnete David Stoop von der Linken vor. Nach einer aktuellen Studie seien dank Sonderregeln fast 97 Prozent der Erbschaften über 250 Millionen Euro sogar steuerfrei. Stoop: "Das, verehrte Damen und Herren, ist ein Skandal." Hamburg würden so pro Jahr etwa 150 Millionen Euro an Erbschafts- und Schenkungssteuer verloren gehen, sagte Stoop.

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Die AfD will dagegen die Erbschaftssteuer ersatzlos abschaffen.

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[–] SapphireSphinx 13 points 1 month ago

Seit im Jahr 2020 der Medienmanager Lutz Schumacher vom Nordkurier als Geschäftsführer beim Schwäbischen Verlag übernahm, seit der Ravensburger Verlag das Neubrandenburger Medienhaus kaufte und Führungskräfte aus dem Nordosten holte, sei die Zeitung zur Plattform für AfD-freundliche Artikel geworden. Mit journalistisch fragwürdigen Mitteln werde versucht, radikalisierte Milieus wie die Querdenkerszene zu erreichen.

Die Sorge in der Belegschaft ist so groß, dass neun aktuelle und frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ZEIT ONLINE darüber sprachen, einige gewährten Einblicke in Redaktionskonferenzen und Schriftverkehr aus dem Haus. Aus Angst vor arbeitsrechtlichen Folgen baten sie um Anonymität. Unlängst soll der neue Chefredakteur Gabriel Kords gedroht haben, man werde "kurzen Prozess" machen, falls Angestellte Interna nach draußen gäben.

Und so geht Stück für Stück unsere Demokratie zugrunde.

[–] SapphireSphinx 22 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

AFAIK ja. Man muss als Beispiel z.B. wohl jetzt 3 Stunden Arbeitsweg in Kauf nehmen. Bei Hartz-IV und bisher waren es 2,5 Stunden.

Es ist halt auch die Kehrtwende von der Kehrwende. Ist halt Verarschung Hartz-IV erst großspurig durch das Bürgergeld abzulösen um das selbe dann in der gleichen Legislaturperiode heimlich wieder rückgängig zu machen. Resultat: Man hat sich eines schlechten Names entledigt, der der SPD (und den Grünen) wie Scheiße am Schuh hing. Ist für mich verarsche.

[–] SapphireSphinx 11 points 1 month ago (1 children)

"Fahrradfahrer”

Nach unten treten, nach oben buckeln.

[–] SapphireSphinx 29 points 1 month ago* (last edited 1 month ago) (6 children)

Und es ist vollbracht.

  1. Hartz-IV durch das Bürgergeld ablösen um damit das Wahlvieh, das immer noch ein Gewissen hat, zu beeindrucken.
  2. Ein wenig Gras über die Sache wachsen lassen.
  3. Das Bürgergeld so ändern, dass es teilweise sogar schlimmer ist als es Hartz-IV war, aber es halt nicht mehr Hartz-IV nennen.
  4. Applaus von deutschen "Fahrradfahrer" auf der rechten Seite abholen.

Ich habe aber auch nicht wirklich anderes von den beiden Hartz-IV Parteien erwartet.

[–] SapphireSphinx 20 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

Da kann ich auch eine Anekdote aus meiner Familie beisteuern.

Ich mach das ja nicht unbedingt publik in der Verwandtschaft, dass ich kiffe. Nun hatte ich doch tatsächlich letztens jemanden (ca 65) aus der Verwandtschaft am Apparat und dann kam das Thema auf die Entkriminalisierung und da erzählt sie mir doch, dass sie ab und zu auch kifft. Das sind eigentlich CDU-Wähler.

Spannend fand ich am Interview auch den Fakt, dass die meisten Leute sich nicht über den Dealer versorgen sondern anscheinend über Bekannte und Verwandte.

Ach ja, und seit der Entkriminalisierung;

  1. Konsumieren nicht mehr Menschen in Deutschland Cannabis
  2. Ist der Schwarzmarkt auf der Straß0e kleiner geworden.
  3. ...

Last-but-not-least: Ich hab meine Medikation die nachweislich hilft aber für die es keine "offizielle" Indikation gibt. Ich muss mich also nicht mehr strafbar machen um mit meinem gesundheitlichem Problem umzugehen.

Ich hoffe, die Säule-II kommt bald obwohl ich da mittlerweile eher schwarz sehe. Das wäre auch eine Absicherung gegen Fotzenfritz im nächsten Jahr.

[–] SapphireSphinx 40 points 1 month ago* (last edited 1 month ago) (3 children)

Was denn nun die Alternative ist erklären sie aber leider nicht. Wir sollen also auf Olaf Scholz vertrauen und weiterhin der AfD Steuergelder überweisen und ihr Sonderrechte als Partei zugestehen? Das finde ich jetzt aber auch nicht so wirklich überzeugend.

[–] SapphireSphinx 13 points 1 month ago

Danke. Perfekt ausgedrückt.

[–] SapphireSphinx 52 points 1 month ago* (last edited 1 month ago) (2 children)

Wenn man meint es geht nicht dümmer, kommt ein Friedrich Merz daher ...

Als Vorbild für den Umgang mit Arbeit und Wohlstand nannte Merz die USA. Deutschland müsse »ein Land sein – und das habe ich in Amerika immer sehr geschätzt –, das Erfolg nicht diskreditiert, sondern sagt: Daran nehmen wir uns ein Beispiel«.

Klar Digger, Da müssen wir hin ... In das Land wo Milch und Honig fließen (für das im Privatflieger fliegende Volk). Hat der psychisch ein klinisches Problem? Das hört sich für mich so an.

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