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Das zugrundeliegende Problem ist, dass es immer weniger bodengebundene Notärzte gibt, weil da massenhaft Standorte eingestampft wurden und werden. (Oft im Rahmen von Krankenhaus-Schließungen, denn die meisten Standorte befinden sich an einem Krankenhaus)
Wenn kein bodengebundener Notarzt zur Verfügung steht, kommt dann halt der nächste freie Hubschrauber zu einem Einsatz, bei dem ein Notarzt gebraucht wird. Eine unglaubliche Resourcenverschwendung, bedingt durch krankhaften Sparwahn.
Bei mir in der Gegend wurde vor 15 Jahren ein Krankenhaus mit Notarztstandort geschlossen, vorher ist vielleicht alle paar Jahre mal ein Rettungshubschrauber hier im Ort gelandet, inzwischen passiert das mehrmals im Jahr, meist ohne, dass der Hubschrauber dann transportiert, weil er als reiner Notarztzubringer fungiert.
Nein. Das ist nicht das Problem,nicht einmal in Ansatz. Die Anzahl der Notarztstandorte in Deutschland ist in den letzten 20 Jahren massiv angestiegen, je nach Rechenart zwischen 15% und 30%, während parallel die Anzahl der realen Notarzt-pflichtigen Einsätze relativ konstant geblieben ist (trotz viel höherer Einsatzzahlen) und theoretisch die weitergehenden gesetzlichen Handlungsspielräume die dem nicht-ärztlichen Personal durch die Einführung des Notfallsanitäters zu einer Reduktion hätten führen müssen. Letzteres ist durch pure Blockade auf Seite der ärztlichen Leiter Rettungsdienst in keinem Bundesland effektiv eingetreten bzw. hat sich so gut wie kein Bereich dazu entschlossen die Alarm- und Ausrückeordnung anzupassen. Sprich: Es wird (wie in meinem Beispiel genannt) auch zu Einsätzen die ein Notfallsanitäter alleine abwickeln kann und qua Ausbildung auch muss,weiterhin zusätzlich ein Notarztrettungsmittel entsendet. Und wenn da gerade kein bodengebundes verfügbar ist,nimmt man halt den Hubschrauber. Auch wenn es zu Oma Brömmelkamp mit ihrem Schlaganfall im Altenheim geht die genau null davon profitieren kann. (Sidenote: Auch weil wir in DE in den meisten Gebieten Notrufe beschissen abfragen,siehe ARD/SWR Reportage.Selbst da wo es strukturierte Abfrage gibt,ist sie selten wissenschaftlich validiert sondern wieder,nunja, Einzelmeinung)
Das ist einfach wahnsinnig ineffektiv und schwachsinnig,auch und gerade weil wir in DE damit die Versorgung sehr tageszeitabhängig und wetterabhängig machen. (Im Gegensatz zur Schweiz z.B. die da viel weiter ist, gerade auch weil ihr bodengebundener RD mehr kann).
Um auf dein Beispiel einzugehen: Das Notarztstandorte mit Klinikschließungen wegfallen ist extrem ungewöhnlich, mir sind in den letzten 20 Jahren nur 2 Fälle bekannt (und der war wirklich Bullshit), auch wenn es gern vor einer Schließung als Schutzargument angeführt wird. Bis du dir sicher,dass der Standort weggefallen ist und nicht nur an eine bestehende Rettungswache angebunden wurde?(Wenn du mir ne DM schickst wo,schau ich es dir auch nach) Zweitens sorgt natürlich auch die Schließung einer kleinen Klinik für eine Veränderung Rettungsmittellandschaft. Die Transportwege in die nächste Klinik werden länger, gleichzeitig haben wir in Deutschland immer weniger statt mehr Möglichkeiten Patienten ambulant vor Ort zu versorgen bzw. auch rein rechtlich "vor Ort zu belassen". Die Hausärzte haben die Segel gestrichen was häusliche Akutversorgung angeht, der aus ihren Reihen bereitgestellte ärztliche Bereitschaftsdienst ist ebenso am Ende seitdem das Bundessozialgericht (richtiger Weise)gegen die illegale Praxis der kassenärztlichen Vereinigungen eingeschritten ist. Rechtlich gibt es in einigen Bundesländern eine harte Transportpflicht,sprich der RD muss transportieren,wenn der Pat. nicht ablehnt. Gleichzeitig werden natürlich für Notarzt-begleitete Transporte die Wege länger. Kommt es nun zu Duplizitätsfällen, ist das nächste NA-Rettungsmittel der Wahl halt ggf. der Hubschrauber. Ergänzend kommt hinzu,dass zusätzlich auch einfach mehr Patienten in höherwertige Kliniken kommen sollten, gleichzeitig aber die Verfügbarkeit von Betten dort eine Katastrophe ist weil Personal fehlt - während früher mehr als genug Herzinfarkte in den kleinen Kliniken endeten und dort blieben (und oft genug dort sinnlos starben),ist ein Haus mit Katheterinterventionsmöglichkeit mittlerweile halt Pflicht. Auch beim Schlaganfall geht die Tendenz hin zur interventionellen Radiologie-was noch spezieller ist. Insbesondere für letzteres Betten zu finden ist aber oft ein Drama - ich hab selber die letzten 4x Hubschrauber weder deswegen nachgefordert weil der Patient so krank war, noch weil der Transportweg ins nächste Krankenhaus mit den benötigten Versorgungsmöglichkeiten so weit gewesen wäre - sondern weil das nächste Haus das auch die entsprechenden Kapazitäten hatte über 2h Bodentransport entfernt war.
Die Notfallrettung ist halt leider auch Teil der Medizin und die brennt mittlerweile komplett und ist auf Mitarbeiterseite nur noch für einige wenige alte,meist männliche, Mitarbeiter "tragbar". Die sitzen nur leider an den richtigen Positionen.
Hut ab, Du steckst tief in der Materie, wie es aussieht.
Dass trotz Notfallsanitäter noch ein Notarzt nach alarmiert wird: Liegt das eventuell auch an Haftungsfragen so nach dem Motto: "Es war ja kein Arzt da, nur der Sanitäter, sie haben den Menschen wegen dieser Fehlentscheidung sterben lassen"?
Ich habe mal erlebt, dass die Rettungscrew (mit Arzt) nach sinnlosem Reanimationstheater (Patient war schon unbekannte Zeit, vermutlich eine Stunde, tot, als die Angehörigen ihn gefunden hatten) von der Familie gefragt wurde: "Haben sie auch wirklich alles versucht?"
(Ich war da nur Zeuge, ich bin nicht aus dem medizinischen Bereich. Rudimentäre Kenntnisse stammen aus dem Zivildienst im Krankenhaus.)
Ja,ich hab ehrlich gesagt Rettungsdienst durchgespielt - ich bin NotSan, Paramedic, war Leiter eines großen Rettungsdienstes, Stationsleiter eines RTH, hab den Kram studiert und bin heute als Gutachter und Fachberater bzw. Geschäftsführer unterwegs.
Was die Haftung angeht ist das eigentlich kein Problem - es gilt (mit Ausnahme von BW) immer die direkt oder indirekte Amtshaftung, insbesondere für den Entscheider. Es ist auch nicht so,dass die NotSan hier frei entscheiden dürfen, sondern an vorgegebenene Algorithmen gebunden sind. Hierbei wird bewusst zwischen den Dingen entschieden,bei denen noch ein Notarzt hinzukommen muss, und denen bei denen eine eigenständige Arbeit in Rahmen der Vorabdelegation möglich wäre. (Vorabdelegation beschreibt diese Algorithmen)
Ersteres ist mittlerweile gut ausgebaut, zweiteres gar nicht - obwohl da das Schadenspotential viel geringer ist.
Die ärztlichen Standesvertretungen sagen dir das mittlerweile auch direkt ins Gesicht,dass der ganze Heckmeck mit Telenotarzt(so wie wir es in DE einführen totaler Schwachsinn), verweigerten Vorabdelegationen, etc. nur dazu dienen soll die Zeit zurück zu drehen,da man fürchtet,dass man sonst in Zukunft eine zu geringe Rolle spielt - und Notarztdienst ist halt eine auskömmliche und im Vergleich zum Klinikalltag entspannte Ecke.
Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Da käme ja weiterhin der Notarzt - und das ist auch okay so. Ich bin kein Gegner des Notarztsystems. Nur unseres Systems. Die Fälle die da so problematisch sind,sind die "kleinen aber häufigen Fälle". Eben der Bluthochdruck bei Oma Brömmelkamp,die unkritische Fraktur die Schmerzen hat, etc.
Um mal ein paar Absurditäten aufzuzeigen:
Wir dürfen legal einem Patienten Ketamin spritzen. Das ist ein starkes Narkotikum und Schmerzmittel,dass in England und Australien (einem System mit studierten Paramedics) nur speziell ausgebildeten Kollegen unter enger Indikationsstellung an die Hand gegeben wird. Hier ist es in den meisten Bundesländern kein Problem. Denn es ist kein BTM. Das weitaus ungefährlichere Morphin (oder das gleich gefährliche aber oft geeignetere Fentanyl) war in Deutschland dagegen lange Zeit für nicht-ärztliches Personal Tabu weil BTM. Nun hat man zwischenzeitlich das BTMG geändert und es könnte freigegeben werden - wird es aber für die Mehrzahl der Kollege in DE nicht. Warum? Weil halt. Es gibt keine fachliche Begründung,außer "gefährlich wenn das nicht-Ärzte verwenden". Die Studienlagen dazu,die einen sichere Anwendung durch Nicht-Ärzte bescheinigen werden ignoriert. Konkret heißt das: Wer eine Erkrankung hat die Ketamin ausscheiden lässt (z.B. einen Herzinfarkt) der leidet in diesen Gebieten halt weiterhin Schmerzen. Und wenn der Notarzt 40min braucht, tja. Pech. In anderen Gebieten ist die Gabe durch NotSan übrigens auf Paracetamol beschränkt.Hahaha.
Während die Gabe wie oben beschrieben ja kein Problem ist, solange parallel ein NA anfährt, ist eine andere Situation nicht lösbar: Ich arbeite am Land, die Straßen sind kurvig. Wird dem Patienten schlecht, haben wir beide ein Problem: Ich kann zwar dem Patienten theoretisch ein Medikament dagegen geben. Das ist hunderttausende Male erprobt, die Nebenwirkungen bei Nicht-Schwangeren sind minimal,durch den NotSan bei vorheriger Diagnostik fast sicher auszuschließen,etc. Aber: Ich darf es nicht. Die eigenenverantwortliche Kompetenzregelung stellt die Gefahr für Leib und Leben bzw. von wesentlichen Folgeschäden als Bedingung. Das ist beim kotzenden Patienten erstmal nicht gegeben. Gleichzeitig hat so gut wie kein RD in Deutschland diese Medikamente "delegiert" sprich anderweitig freigegeben. Ergo darf der Patient weiter kotzen. Im einundzwanzigsten Jahrhundert.
Die Scheisse entsteht wie gesagt auf Basis von einzelnen Entscheidern die sich an NIX zu halten haben. Es gibt in Deutschland/Europa eigentlich zu allen medizinischen Versorgungsthemen Leitlinien. Nur im Bereich der Algorithmen und Freigaben kann jeder ärztliche Leiter Rettungsdienst entscheiden wie er will. Leitlinien? Scheiss drauf! Aktuelle Forschungslage? Scheiss drauf! Old white man rule! Das sorgt dafür,dass tlw. nebeneinander liegende Bereiche komplett andere Standards haben. NRW ist da besonders schlimm - während die Kollegen im einen Kreis fast nix dürfen kann es dir passieren,dass sie 2km weiter wenigstens halbwegs sinnvoll arbeiten dürfen, 5km weiter aber wiede nicht mehr.
Das Geile ist ja,dass ein guter Teil der Notärzte das auch nicht mehr gutheißt - nur musst du halt für solche Positionen die richtigen Ärsche hoch kriechen und das wollen die meistens auch nicht/sind eben andere schneller.
Was übrigens viele nicht wissen: Die Notarztausbildung bei uns ist dagegen vollkommen lächerlich: Ein 80h Kurs(tlw. sogar kürzer was die Präsenz angeht), 6 Monate die Intensivvisite mitlaufen und zwei Weiterbildungsjahre reichen,damit du in Deutschland Notarzt spielen darfst. Die gleichen Ärzte dürfen lustiger Weise in der Klinik nie einen Notfall alleine versorgen, geschweige denn Großeinsätze leiten (der ersteintreffende Notarzt ist bis zum Eintreffen des leitenden Notarztes der maßgebliche Teil der med. Einsatzleitung...viel Spaß wenn du sowas wie Eschede hast), geschweige denn dürften diese Ärzte alleine fachfremde Notfälle (Chirurg muss Narkose machen?Internist Kinder versorgen?) versorgen. Draußen? Schaut ja keiner so genau. Auch musst du dich in fast allen Bereichen Deutschlands null fortbilden - du hast nur deine allgemeine ärztliche Fortbildungspflicht. Diese kann aber auch über Bachblüten sein. Dementsprechend gibt es genug "Hausarzt"-Notärzte da draußen die seit 30 Jahren kein Update mehr erfahren haben, die die relevanten Skills noch nie oder so selten gemacht haben,dass diese nicht sitzen können. (https://denkanloenne.de/ - und jeder RDler der lange genug dabei ist kennt ähnliche Fälle) Ich muss vor Gericht ggf. nachweisen,dass ich 100x intubiert habe und dies 25x pro Jahr tue. Dem ärztlichen Beruf wird dies pauschal bescheinigt.
System kaputt.
Der Standort ist definitiv weggefallen. Wenn das auf dem Papier als eine Verlegung an einen anderen Standort getarnt wurde, dann wurde der so weit weg verlegt, dass er nicht mehr relevant ist. Aus der Richtung kommt seitdem kein Notarzt mehr. Das war hier der primär zuständige Notarzt, jetzt kommt der, der früher weiter entfernt war (Auf der Landkarte ist der ungefähr gleich weit entfernt, aber bei viel Verkehr ist die Fahrtzeit doppelt so lang, weil der durch 2 Innenstädte mit rund drölf Ampelkreuzungen muss, statt einfach durch ein paar Dörfer, wo er Gas geben kann), oder halt der aus dem Nachbarkreis (den es damals auch schon gab). Oder eben der Hubschrauber.
Allgemein fällt mir auf, dass beim Rettungsdienst viel Statistik frisiert wird. Keine Ahnung, ob das ein Phänomen nur in meinem Landkreis ist, anderswo habe ich da leider keinen Einblick, aber hier werden die Eintreffzeiten geschönt, indem Rettungsmittel bei Einsätzen in der Botanik (also da, wo eigentlich eh keine Hilfsfristen einzuhalten sind) schon beim Verlassen der letzten öffentlichen Straße per FMS-Staus 4 ihr Eintreffen an der Einsatzstelle melden...
Wie gesagt, ungewöhnlich,kann aber natürlich im Einzelfall mal sein.
Das Drücken der 4 beim Verlassen der öffentlichen Straßen ist tatsächlich in fast allen Bundesländern so richtig - die Hilfsfrist gilt nur bis dahin, ansonsten hättest du halt beim Forstwirt der hinter 30 Forststraßen liegt, bei denen du irgendwann die Bergwacht brauchst um überhaupt dort hin zu kommen und ähnlichen Fällen ständig statische Ausreißer. Oder bei der Person auf dem Nebelhorn, der Hallig,etc.