Nach der Haushaltseinigung der Ampelkoalition will die Deutsche Bahn mehr Geld für die Nutzung ihrer Gleise verlangen. Die Infrastrukturgesellschaft DB InfraGO will dafür ab 2026 fast ein Fünftel mehr Gebühren verlangen, teilte der Staatskonzern am Montagabend mit. Dies entspreche rund 1,2 Milliarden Euro mehr.
Für die Deutsche Bahn hatte es eigentlich nach einer guten Nachricht geklungen: Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben ihren Haushaltsstreit gelöst, indem sie dem Staatsunternehmen zusätzlich Eigenkapital und Darlehen gewähren.
Der Kabinettsbeschluss sieht vor, dass die Infrastruktursparte der Bahn im kommenden Jahr zusätzlich zur ohnehin gegebenen Eigenkapitalspritze von 5,9 Milliarden Euro weitere 4,5 Milliarden Euro vom Bund erhält, „um geplante Infrastrukturvorhaben umsetzen zu können“. Mit dem Geld soll das Unternehmen also das marode Schienennetz sanieren.
„Im gleichen Umfang (4,5 Milliarden Euro) werden im Haushalt 2025 bisher eingeplante Investitionszuschüsse an die Bahn reduziert“, heißt es in der Kabinettvorlage. Der Bund gewährt also Eigenkapital und senkt dafür den Zuschuss aus dem Etat. Der Clou: Der Zuschuss wird bei der Schuldenbremse angerechnet, das Eigenkapital hingegen nicht. Der Bund kann nun also mehr Kredite aufnehmen und sich dadurch zusätzlichen Spielraum verschaffen.
Was für die Ampel Vorzüge hat, könnte sich für die Bahn allerdings als Nachteil herausstellen. Denn auf das Eigenkapital werden Zinsen fällig, welche der Staatskonzern an den Bund überweisen muss. Die Branche hatte deshalb vor diesem Schritt gewarnt, weil sie eine Erhöhung der Trassenpreise fürchtete. Diese sind eine Art Schienenmaut, durch die auch Zugtickets teurer werden könnten. Zahlen müssen sie auch die bahneigenen Verkehrsunternehmen. Die Gebühren werden zur unterjährigen Instandhaltung der Strecken genutzt.
Bei einer Eigenkapitalerhöhung besteht das Risiko einer Trassenpreiserhöhung vor allem deshalb, weil die Bahn aus beihilferechtlichen Gründen für das zusätzliche Eigenkapital eine angemessene Rendite erwirtschaften muss. Über deren Höhe verhandeln Bundesregierung und Bahn derzeit noch. Neben den Trassenpreiserhöhungen könnte auch ein Sparkurs helfen.
Andreas Geißler von der „Allianz pro Schiene“ sieht die Haushaltseinigung deshalb „ausgesprochen kritisch“ „Eigenkapitalerhöhungen anstelle der eigentlich üblichen Baukostenzuschüsse führen zu höheren Trassenpreisen, machen also in der Konsequenz die Nutzung der Schieneninfrastruktur für Eisenbahnverkehrsunternehmen und damit für die Wirtschaft und für Reisende erheblich teurer“, sagte er vor der Ankündigung von DB InfraGo vom Montagabend.
Ähnliche Bedenken äußerte Neele Wesseln vom Branchenverband der Güterbahnen: „Der Rettungsversuch der Ampelspitzen für einen schuldenbremsenkonformen Bundeshaushalt wird Millionen Verlierer haben“, warnte sie. „Die desaströse Vereinbarung verschweigt die kostentreibenden Folgen für die Eisenbahnkunden im Personen- und Güterverkehr.“
Dadurch könnte die Ampelkoalition ihr Ziel verfehlen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, sagte Verkehrspolitiker Christoph Ploß (CDU). „Eigentlich bräuchten wir das genaue Gegenteil.“
Bei der geplanten Trassenpreiserhöhung für 2026 geht DB InfraGo einen ungewöhnlichen Weg: So soll die Schienenmaut für den Regionalverkehr um 23,5 Prozent teurer werden, der Fernverkehr um gut zehn Prozent und der Güterverkehr müsste knapp 15 Prozent mehr zahlen. Genehmigt werden muss das System von der Bundesnetzagentur. Diese dürfte aber auf die Gesetzeslage verweisen, wonach die Erhöhung beim Regionalverkehr auf drei Prozent gedeckelt ist.
Der Bundestag könnte zwar auch zunächst das entsprechende Regionalisierungsgesetz ändern. Dies wiederum aber dürfte heftige Proteste der Bundesländer auslösen. Denn sie bestellen den Nahverkehr bei den verschiedenen Bahn-Anbietern und müssten daher auch die zusätzliche Last aus den Trassenpreisen tragen – oder den Verkehr ausdünnen.
Die Bundesnetzagentur hatte kürzlich erst eine starke Erhöhung der Trassenpreise für 2025 genehmigt. Für das kommende Jahr erhöhen sich die Trassenpreise für den Fernverkehr nach aktuellem Stand um 17,7 Prozent, für den Güterverkehr um 16 Prozent.
Insbesondere den Schienengüterverkehr trifft die kräftige und kurzfristige Erhöhung der Schienenmaut hart. Denn die Weitergabe der steigenden Kosten ist im Güterverkehr wegen langjähriger Verträge mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren deutlich schwerer als im Personenverkehr.
Auch in der Ampelkoalition wurde über die Nachteile der Eigenkapitalerhöhung diskutiert. Deshalb haben sich Scholz, Habeck und Lindner auf eine zweite Komponente geeinigt. Die Infrastruktursparte der Bahn soll zusätzlich Darlehen in Höhe von drei Milliarden Euro erhalten. Und zwar zu günstigen Konditionen: Der Zinssatz betrage 1,5 Prozent bei einer Laufzeit von 34 Jahren, heißt es in der Kabinettsvorlage.
Das Darlehen fällt ebenfalls nicht unter die Schuldenbremse, weil der Bund das Geld irgendwann wiederbekommt. Durch das Eigenkapital und das Darlehen kann die Regierung deshalb insgesamt 7,5 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen als zunächst geplant.
Für die Bahn könnte das Darlehen mit den niedrigen Zinsen ebenfalls einen Vorteil bieten. Sie könnte mit dem Geld bereits laufende, teurere Kredite ablösen.
„Das Parlament muss die Haushaltseinigung jetzt gründlich aufarbeiten“, sagte Stefan Gelbhaar, Aufsichtsratsmitglied der Bahn und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, dem Handelsblatt. Dabei müsse man auch die Auswirkungen einer potenziellen Trassenpreiserhöhung im Blick haben und Ticketpreise stabil halten, so der Verkehrspolitiker vor der Ankündigung der Bahn am Montagabend.
Die bundeseigene Bahn ist schon jetzt hochverschuldet. Zwar ging die Schuldenlast in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um eine Milliarde Euro zurück, nachdem sie 2023 von 29 auf 34 Milliarden Euro gestiegen war. Die Entlastung verdankt die Bahn allerdings einer schon gewährten Eigenkapitalspritze des Bundes, die im Juni die erste versprochene Tranche über drei Milliarden Euro einbrachte. Ein weiterer Anstieg des Verschuldungsgrads, also des Verhältnisses von Fremd- zu Eigenkapital, könnte ein Downgrade der Ratingagenturen zur Folge haben.
Der geplante Verkauf der Bahn-Logistiktochter DB Schenker könnte die Schuldenlast etwas reduzieren. Ein Großteil des DB-Schenker-Erlöses soll in die Schuldentilgung fließen. Allerdings muss die DB das Geld auch dafür verwenden, um bei einem derart großen Verkauf das Rating halten zu können.
Eine Maßnahme ganz ohne Risiko für die Bahn-Bilanz wäre eine projektbezogene Baukostenfinanzierung gewesen, wie sie teils von der Branche gefordert wurde. Doch angesichts der angespannten Haushaltslage sind Zuschüsse für die Ampel kaum finanzierbar.
Warum muss ich für die Regionalbahn "Schienenmaut" bezahlen und für die Landstraße nicht?
Weil es durch die Öffnung des Schienenpersonenverkehrs für (nichtbundeseigene) Wettbewerber notwendig war, den jeweiligen, nun nicht mehr nur staatlichen, Unternehmen als "Verbraucher" ihren jeweiligen "Verbrauch" zuzuordnen und in Rechnung stellen zu können bzw. das im Vergleich zur Straße erheblich knappere Gut Schiene optimal verteilen zu können.
Da im Straßenverkehr diese genaue Zuordnung aufgrund der Komplexität des Netzes, der Teilnehmer und der Routen technisch so nicht möglich war, hat man hier zum Mittel der Steuer gegriffen und belastet den einzelnen Verkehrsteilnehmer über Dinge wie Mineralöl- oder KFZ-Steuer. Da Steuern jedoch nicht zweckgebunden sind, kann das Geld überall hinfließen.
Insofern wäre eine zweckgebundene Maut nur konsequent. Dass man diese noch immer nur auf Güterverkehr (LKW), nicht aber auf Personenverkehr (Reisebusse) erhebt, kann ich nicht nachvollziehen. Beim Individualverkehr steht die Politik vor dem Problem, dass sie die Einführung einer Maut nicht wirklich mit einem Verzicht auf bisherige Steuern kompensieren will.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mehreinnahmen dem Staat Probleme bereiten würde, vor allem weil die erwähnten Steuer nicht zweckgebunden sind. Es ist eher so, dass die Akzeptanz einer Maut auf Individualverkehr in der Bevölkerung fehlt. Der gängige Weg ist hier den Kommunen die Möglichkeit zu geben solche Maut einzurichten. Das wird dann in Großstädten, wo die Akzeptanz für eine City-Maut noch gerade gegeben ist, auch angenommen.
Das ist ja genau mein Punkt. Man hat sich damals mit einer Steuer für eine nicht-zweckgebundene Belastung der Autofahrer entschieden. Im Falle der Mineralölsteuer war die ursprünglich sogar zweckgebunden für den Straßenunterhalt, das wurde allerdings aufgeweicht. Mittlerweile reicht das darüber generierte Steueraufkommen jedoch offenbar nicht mehr, um den Unterhalt tatsächlich auch darüber zu tragen. Ob das daran liegt, dass grundsätzlich zu wenig eingenommen wird, oder weil man damit Löcher an anderen Stellen stopfen muss/will, weiß ich nicht.
Klar ist nur, dass der Staat nicht gleichzeitig die zweckgebundene Belastung zur Finanzierung (Maut) einführen und gleichzeitig, wie logisch wäre, auf die nicht-zweckgebundene Alternative (Steuer) verzichten will. Der Autofahrer hingegen möchte nicht für die gleiche Sache zweimal zur Kasse gebeten werden. Also schrecken die Politiker vor diesem Schritt zurück.