LONDON taz | „Tommy, Tommy, Tommy“: Bei den rassistischen Unruhen in England wird hier und da sein Name skandiert. Gemeint ist der 41-jährige Tommy Robinson, der als Stephen Yaxley-Lennon in Luton nördlich von London aufwuchs. Seinen Namen änderte er, als er sich in rechten Kreisen etablierte, um damit einem Hooligan seiner Heimatstadt zu ehren.
Nach dem Messerangriff eines 17-Jährigen vor einer Woche in Southport, bei dem drei Kinder starben, wandte sich Robinson an seine 800.000 Follower. Wiederholt teilte er falsche Angaben zum Täter, mit denen er seine Follower zu den Ausschreitungen in Southport anstachelte, die sich inzwischen auf andere Städte im Königreich ausgeweitet haben.
Robinson, geschieden und Vater von drei Kindern, wollte eigentlich Flugzeugingenieur werden. Eine Schlägerei im Suff brachte ihm jedoch eine einjährige Freiheitsstrafe ein und beendete diese Aussicht. Einst war er Mitglied der rechtsextremen British National Party (BNP). Als Reaktion auf salafistische Gruppierungen, die sich in Luton eingenistet hatten, gründete Robinson 2009 mit anderen die English Defence League (EDL). Die Gruppe vertrat einen dezidiert englischen Patriotismus und wandte sich explizit gegen den Islam und gegen Einwanderung. Bis heute fasst dies Robinsons Weltbild bündig zusammen.
Immer wieder saß der Mann mit Kurzhaarfrisur für Schlägereien und Betrug hinter Gittern. Sein rowdyhafter Charakter prägte auch die EDL. Anders als die rechtsextremen Parteien BNP und National Front wollte die EDL eine reine Straßenbewegung sein, für die Robinson es verstand, Facebook zu nutzen. Die EDL organisierte Demonstrationen, etwa 2013 in Woolwich nach einem islamistischen Terrorattentat. Vor Moscheen legten sie Schweineköpfe ab. Crowdfunding machte ihn zum Millionär
Vor elf Jahren stieg Robinson aus der EDL aus – doch seinen Themen blieb er treu, etwa als Gangs mit pakistanischer Herkunft im nordenglischen Rochdale Dutzende vorwiegend weiße englische Mädchen sexuell ausbeuteten. 2016 versuchte Robinson erfolglos, einen britischen Ableger der Pegida-Bewegung zu organisieren. Auch ein Versuch, sich ins Parlament wählen zu lassen, ging schief.
Schließlich etablierte er sich, mit Hilfe des rechten kanadischen Kanals „Rebel Media“, als Film-Streamer und selbsternannter „Journalist“. Sein Spezialgebiet: das Verbreiten von Fake-News und die Faktenverfälschung. Sein erster Film handelte von einem Mann britisch-indischer Herkunft, der unter Drogeneinfluss einen Autounfall verursachte, bei dem drei weiße junge Briten starben: Robinson sah darin einen Terrorakt.
Crowdfunding machte ihn zum Millionär. Nach einem Buch, in dem er den Koran als gewaltverherrlichendes Buch und den Islam als „Krankheit“ und Gefahr für den britischen Lebensstil beschrieb, inszeniert er sich seinen Fans gegenüber als antiislamischen Märtyrer und potenzielles Mordopfer.
Im Jahr 2021 verunglimpfte er einen jungen syrischen Mann. Weil Robinson dabei bewusst Tatsachen verdrehte und der verurteilte Syrer Morddrohungen erhielt, verurteilte ihn ein Gericht zur Zahlung von umgerechnet 110.000 Euro Entschädigung. Kurz vor Beginn der gegenwärtigen Krawalle zeigte Robinson auf einer rechtsextremen Großveranstaltung in London einen Film, in dem er weiter Lügen über den Syrer verbreitete. Dafür muss er sich nun vor Gericht verantworten. Einen Termin dazu ließ er sausen. Stattdessen begab er sich nach Zypern, um dort Urlaub zu machen – behauptet er jedenfalls.