Der NFL-Hype in Football-Deutschland bildet sich an der Basis nicht ab. Die Vereine machen für die Personalnot auch die ELF-Franchises verantwortlich
Offenbach – American Football boomt hierzulande, jedoch nicht an der Basis. Während die NFL inzwischen Partien in Deutschland austrägt und die nationalen Vertreter in der European League of Football (ELF) Zuschauermagneten sind, häufen sich die Klagen aus den Spielklassen auf Bundes- und Landesebene zu. Thorsten Kruppka vom Vorstand der Rhein-Main Rockets aus Offenbach zum Beispiel spricht von einem „ganz schwierigen Jahr für diesen Sport und das nächste wird nicht einfacher. Es wird nur noch darauf gewartet, wer zuerst umkippt“.
In der abgelaufenen Saison wurden alleine vom Spielbetrieb, den der hessische Verband (AFVH) regelt, zwölf Teams zurückgezogen (Vorjahr: sieben), teilweise auch bedingt durch die Gründung von Spielgemeinschaften. In der Jugend ist das oft die einzige Chance, die Talente bei der Stange zu halten. „Die Vereine haben im U19-Bereich große Schwierigkeiten, spielfähige Teams zu stellen“, weiß Andreas Gebek, Pressesprecher des AFVH, und sieht in den Folgen der Corona-Pandemie einen der Gründe. In der U16 und U13 gäbe es hingegen einen „deutlichen Aufwind“. Man müsse daher irgendwie „durch die nächsten Jahre kommen“. Kruppka teilt diese Ansicht: „Während der Corona-Pandemie haben einige Kinder gemerkt, dass man nicht unbedingt rausgehen muss.“ Sein Verein mache „unglaublich viel“, auch an Schulen. Aber der Erfolg ist überschaubar. „Vor allem nach der Pubertät finden die Kinder selten den Weg zum Sport. Wir als Exoten spüren das besonders.“
Im Aktivenbereich gibt es eine Vielzahl von Gründen für die personellen Probleme. Unter anderem habe sich die Gesellschaft gewandelt, sagt Kruppka. „Das ist eine ganz andere Generation mit einem anderen Charakter. Da sagen einige dreimal im Jahr das Training mit der Begründung ab, dass die Mutter Geburtstag hat.“ Die Rockets hätten zum Glück einen relativ stabilen Kader, aber auch sie sahen sich gezwungen, das letzte Saisonspiel abzusagen. Die Begründung: Zu viele Verletzte und Angeschlagene.
Alleine in der Oberliga gab es vergangene Saison vier Absagen, jeweils aus personellen Gründen. In der Regionalliga traten die Frankfurt Pirates wiederholt nicht an, wurden daraufhin aus dem Spielbetrieb genommen und planen nun offenbar einen Restart in einer unteren Liga. Die Darmstadt Diamonds sagten ebenfalls eine Partie ab.
„Zu meiner Zeit hatten wir 50-Mann-Kader, so etwas gibt es heute nicht mehr“, meint Kruppka. Der Schnitt liege inzwischen viel weiter unten. „Aber mit einem 35-Mann-Kader übersteht man keine Saison.“ Vor allem nicht in einer so physischen Sportart.
Seit Gründung der ELF im November 2020 häufen sich zudem bei den Klubs von der German Football League abwärts die Beschwerden über die Franchises. Diese würden keine Jugendarbeit machen und den Vereinen die Spieler wegnehmen. Kruppka hatte bereits im Dezember 2022 vom „Staubsauger-Effekt“ gesprochen. In Gelsenkirchen und Herne sieht man es genauso. „Das Problem betrifft alle Vereine bundesweit“, betont Gebeck. „American Football in Deutschland leidet unter der ELF“, sagt der Sprecher des AFVH. Das ELF-Franchise Frankfurt Galaxy wollte sich dazu auf unsere Anfrage hin nicht äußern.
Carsten Dalkwoski, Sprecher der GFL-Klubs sieht eine bedrohliche „Sogwirkung“. Die nationalen Vereine würden daher in einem Maße Spieler aus dem Ausland hinzukaufen, das man vor Jahren noch nicht für möglich gehalten habe. „Da dies aber auch immer mit finanziellen Aufwendungen einhergeht, fährt man hier sehenden Auges auf eine Wand zu“, sagt Dalkowski. Da klassische Vereine nicht wie in der ELF einfach mal eine GmbH mit einer Million Euro Schulden in die Insolvenz schicken könnten (Dalkowski: „Siehe Leipzig“), sei ein Aufprall oft nur zu verhindern, indem man „den sportlichen Betrieb oder sogar den gesamten Vereinsbetrieb einstellt.“ Als Vorsitzender der Marburg Mercenaries (haben sich aus der GFL in die Regionalliga zurückgezogen) weiß er das selbst aus leidvoller Erfahrung.
Dalkowski sieht in der ELF den Schuldigen. Diese bediene sich „ohne Rücksicht auf Verluste“ bei anderen Klubs und werde es erst merken, wenn das Niveau der Spieler nachlasse. Der Präsident des Landesverbandes NRW, Peter Springwald, habe bereits vor drei Jahren gesagt: „Die ELF schöpft den Rahm von der Milch, ohne je eine Kuh besessen oder gefüttert zu haben. Gerade die leistungsorientierten Klubs verlieren dadurch teils in nicht unerheblicher Zahl Topspieler an die ELF und sehen dadurch zu Recht ihre Konkurrenzfähigkeit im organisierten Ligabetrieb bedroht.“ Das sei damals eine gute Metapher gewesen und heute umso mehr, meint der Sprecher der GFL-Klubs. Spieler und Trainer der nationalen Vereine würden sich nur noch als „Dienstleister“ der ELF sehen. An der Basis schwinde daher die Lust auf Jugendarbeit: „Das ist ein Teufelskreis, den es schnell zu durchbrechen gilt.“
Aber wie? Das Problem zu lösen oder zumindest abzufedern, sei eigentlich Aufgabe des Bundesverbandes, meint AFVH-Sprecher Gebek, gibt sich aber keinen Illusionen hin: Alleine könne der AFVD keine Besserung herbeiführen. Klingt nach Resignation. (Christian Düncher)