Vor sieben Jahren, als ich Kühnert zum ersten Mal traf, fragte ich ihn, warum er Politiker geworden sei. Er erinnerte sich an ein Gefühl, das ihn in jungen Jahren beflügelt habe: das Gefühl, etwas verändern zu können. Kühnert erzählte von seinem ersten politischen Erfolgserlebnis: Mit den Juso-Kollegen hatte er durchgesetzt, dass Bedürftige in Berlin ein vergünstigtes Ticket für den Nahverkehr bekommen. Jahre später, da war Kühnert längst Generalsekretär, habe ich mit ihm noch einmal über dieses Gefühl gesprochen. Ich fragte ihn, wann er es zum letzten Mal empfunden habe. Kühnert musste lange nachdenken. Dann sagte er: beim Heizungsgesetz. Kühnert war es gelungen, dem Gesetzestext eine Klausel hinzuzufügen, die es Hausbesitzern verbietet, die Kosten für den Heizungstausch vollständig auf die Mieter umzulegen. Aus sozialdemokratischer Sicht war das ein Erfolg. Allerdings einer, der in der allgemeinen Empörung, die das Heizungsgesetz entfachte, unterging.
[...]
Mittlerweile glaube ich, dass Kühnerts Rücktritt ohne dieses Puzzleteil nicht zu verstehen ist. Dass er nicht nur aufgegeben hat, weil es den Radikalen gelang, ihn einzuschüchtern. Sondern auch, weil er den Glauben daran verlor, dass die Mitte überhaupt noch bereit ist, sich zusammenzuraufen.
Jep, so sieht ein gebrochener Wille aus.