this post was submitted on 28 Jan 2024
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Deutschland

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Sammelbecken für deutsche Kartoffeln und ihre Geschichten über Deutschland.

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Im ostthüringischen Gera kämpfen sie seit Jahren gegen Rechtsextreme. Wie organisiert man sich in einer Stadt, in der die Demokraten in der Minderheit scheinen?

Noch ist der Marktplatz fast leer, als ein Mann mit schwarzer Kapuzenjacke und schwarzer Jeans zwei Lautsprecher auf einem knallgrünen Anhänger aufbaut. Die blonden Haare versteckt er unter einer dunklen Mütze. Nur der rotblonde Bart sticht heraus. Er dreht die Musik auf: "Halt' die Fresse, wenn du meinst, AfD ist schon ok – das ist ne Nazi-Partei, du weißt, was du da wählst. Das ist einfach nur normal: Alle hassen Nazis, alle hassen Nazis."

Der Mann an der Musikanlage ist Michael Rupp. Er ist Mitglied im Bündnis Gera gegen Rechts, das die Demonstration am Samstag veranstaltet. Eigentlich heißt er anders, aber zu seinem Schutz möchte er seinen Namen nicht veröffentlicht sehen. Auch wenn er als Mitveranstalter und Moderator in der Öffentlichkeit stehe, habe er Sorge um seine Sicherheit. Vor einigen Wochen haben Rechtsextreme in Gera den Namen eines Journalisten der regionalen Zeitung ausfindig gemacht, der über sie berichtet hatte. Daraufhin ließen sie sein Gesicht und seinen Namen auf ein Banner drucken. Das zeigen sie seitdem bei ihren Kundgebungen. Außerdem würden Name und Bild in Internetforen der rechtsextremen Szene verbreitet, sagt Rupp.

[...]

Auch Melanie Gerstner ist beeindruckt. Sie hat nicht damit gerechnet, dass so viele kommen. Sie sagt "normalerweise sind wir eher 100 bis 200." Das, was seit einer Woche in den anderen Städten passiere, gibt ihr Kraft. "Letzte Woche hatte ich Tränen in den Augen, als ich die Bilder aus anderen Städten gesehen habe – auch in Ostdeutschland", sagt sie gerührt. Man käme sich hier so allein vor. Selbst in ihrer Familie versucht sie, politische Themen auszuklammern. Keiner von ihnen ist zur Demonstration gekommen.

[...]

Er ist zwar froh darüber, dass an diesem Samstag so viele Menschen gekommen sind, aber er will trotzdem realistisch bleiben. Seit der Corona-Pandemie machten die Rechten jeden Montag ihre Spaziergänge, mit fast 1.000 Leute, manchmal seien es auch nur 400 bis 500. "Dass wir jeden Montag mehr Leute auf die Straße kriegen als die, das wird nicht passieren", sagt er und zuckt mit den Schultern. "Aber trotzdem haben wir ihnen endlich gezeigt, dass wir auch mal mehr sind!"

Nach ungefähr drei Stunden löst sich die Menge langsam auf.

"Klar, wir werden jetzt nicht jeden AfD-Wähler umstimmen", aber vielleicht könne man immerhin ein paar Prozente ausrichten, hofft Rupp. Dass die Zivilbevölkerung bis zu den Wahlen durchhält, hofft auch Gerstner. Denn den Nazis die Stadt zu überlassen, sei für sie keine Alternative.

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[–] Haven5341@feddit.de 0 points 9 months ago* (last edited 9 months ago) (1 children)

Ich denke, die kleineren Orte dürfen nicht nicht vergessen werden. Da ist es sicherlich schwerer auf die Straße zu gehen. Darum brauchen die auch Aufmerksamkeit: Auch wenn nicht die beeindruckenden Zahlen wie in den Großstädten zusammen kommen.

Zu dem Thema auch folgendes:

Die Proteste in der Provinz dürfen nicht vergessen werden, sagt Aktivist Jakob Springfeld. Anitfa-Initiativen seien dort häufig in der Defensive.

taz: Herr Springfeld, über 100.000 gingen in München und Berlin gegen die AfD auf die Straße. Dennoch fordern Sie immer wieder, den Blick auf die vergleichsweise kleinen Proteste in der Provinz zu werfen. Warum?

Jakob Springfeld: Viele hatten vor den Protesten die Hoffnung verloren, den Aufstieg der AfD aufhalten zu können. Vor dem ersten großen Protestwochenende waren die Zweifel groß, dass mit vier Tagen Vorlauf überhaupt jemand zu einem Protest kommt. Dann standen etwa in Döbeln doch mehrere 100 Leute auf der Straße. Es ist nicht gesagt, dass die Massenproteste die AfD aufhalten können. Aber die Menschen haben zumindest wieder Hoffnung, dass sie noch was reißen können.

Dieses Wochenende fanden in Sachsen viele Proteste genau an den kleineren Orten statt. Warum fällt es den Menschen dort schwerer, auf die Straße zu gehen?

An vielen Orten im ländlichen Raum herrschen rechte Hegemonien. Gerade an Schulen sind viele Kids rechts. Es wird dort als cool gesehen, rechts zu sein oder AfD zu wählen. Zivilgesellschaftliche, antifaschistische Initiativen sind dort häufig schon in der defensiven Position. Sich dort auf den Marktplatz zu stellen, ist erheblich schwieriger, als das in Dresden oder Leipzig zu tun. Deshalb stellt sich gerade in der Provinz die Frage, wie Proteste aufrechterhalten bleiben können.

[...]

Was heißt das mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September?

Hauptsache demokratisch – in dem Sinne entstehen gerade viele Bündnisse. Ich verstehe das, weil man sonst in vielen Orten womöglich ganz allein dastünde. Aber ich frage mich auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene, was das wirklich heißt. Schon heute arbeiten AfD, FDP und CDU in vielen Kommunen zusammen. Egal, was wir zu den Wahlen machen. Wir werden von zivilgesellschaftlicher Seite nicht verhindern können, dass viele Leute die AfD wählen werden.

Aktivist über Demos im ländlichen Raum: „Die Lage ist verdammt brenzlig“ | TAZ

[–] Sodis@feddit.de 0 points 9 months ago

Hat mich auch echt gefreut, dass meine unter 100k Einwohner Heimatstadt in Sachsen, die sonst eher für ihre Rechtsextremenen bekannt ist, doch 2k Demonstranten zusammenbekommen hat.