this post was submitted on 16 Feb 2024
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Die entscheidende Frage für die Beobachtung ist ja, woher der Gendergap bei Bildungsabschlüssen kommt: Hat sich das System oder haben sich die jungen Männer verändert?
Einerseits ist die Nivellierung der bildungsbedingten Klassengesellschaft ungünstig für alle, die es eher schwer haben, einen Hochschulabschluss zu erlangen. Die effektive Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und die Entwertung aller nichtakademischen Ausbildungen geht zulasten derer, die einen Lebensunterhalt ohne Studium bestreiten müssen.
Während Frauen früher eher systemisch von der Hochschulen ferngehalten wurden, taten sich Jungen schon immer in der Schule schwerer. Es ist gut, dass Frauen akademisch entfesselt wurden. Gleichzeitig bleiben die jungen Männer, die schon in der Schule scheitern, leider auf der Strecke. Die Studienabbrecherquote lag bspw. 2016 bei Männern zwischen 8 und 12 Prozent höher als bei Frauen (laut Heublein und Schmelzer im DZHW-Projektbericht 2018). Hier ist Förderung gefragt und, sofern sie nicht fruchtet, wertige alternative Lebenswege für alle Nicht-Studierten.
Ich glaube, das Problem bestünde weniger ausgeprägt, wenn man mit Hauptschulabschluss und Gesellenbrief ohne Naserümpfen anderer und mit einem lebensfähigen Salär seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Zumindest den Akademikerinnen in meinem Umkreis ging und geht es bei der Partnerwahl selten um einen Bildungsstatus, sondern um eine Augenhöhe in der Beziehung. Wenn einer von allen Seiten durchgehende vermittelt bekommt, weniger wert zu sein, klappt das nicht. Gleichzeitig haben Ärztinnen und Volljuristinnen Partner ohne formalen Abschluss jenseits des Abiturs, die aber durch eine selbstgemachte Spezialisierung auf ihrem Gebiet das notwendige Feuer für ihren eigenen Lebensweg mitbringen.
Ganz klar meine Meinung und wahrscheinlich nicht sonderlich beliebt: Die Haupt- und Realschulen zugunsten der Gesamtschulen und zulasten der Gymnasien abzuschaffen war ein Fehler; die Uni oder FH ist eben nicht für jeden oder auch nur die Mehrheit der bessere Weg als eine gute Ausbildung. Dadurch sind jetzt all jene, die sich nicht irgendwie durch eine Akademie quälen können, vollends abgehängt und lebenslang gesellschaftlich gemarkt. Anstatt die Gesellschaft einheitlich gleicher zu machen, hat man einen riesigen Graben geschaffen. Das deutsche Ausbildungssystem war gesamtgesellschaftlich besser.
Der Artikel selbst wendet übrigens schon noch ein, dass die absoluten Zahlen bei den jungen Erwachsenen noch nicht dramatisch sind:
Es gab Aspekte die besser aber auch schlechter waren. Vor allem die frühe Aussortierung ist nur schwer vertretbar. Anekdotisch wollte mein Grundschullehrer mich auf die Hauptschule schicken, weil nach zwei Jahren in Deutschland meine Rechtschreibung und Deutsch insgesamt noch nicht ganz auf Gymnasium Level waren.
Die Kritik sehe und teile ich, aber genau diese Kritik wurde häufig gerade zur Begründung der falschen Dichotomie angeführt, dass man das dreigliedrige System schlachten müsse oder eben mit Fällen wie deinem leben müsse.
Es hätte einheitliche und zentrale Feststellungsverfahren vor jedem Schulwechsel gebraucht. Wenn Defizite aus dritten Gründen bestehen (wie in deinem Fall), wäre die daraus folgende Empfehlung im Widerspruchsverfahren durch Sonderförderung oder spätere Zweitfeststellung anfechtbar gewesen.
Ich kenne hingegen übrigens persönlich mehrere Fälle von sehr leistungsfähigen und -willigen Menschen, die durch den zwangshaften Drang an die Uni richtig unglücklich wurden: Das System Hochschule passte schlicht nicht in ihre Befähigung.
Und wenn man sich die Zahlen zu den Umschulungen nach langen, erfolglosen Uni-Karrieren anschaut, haben wir auch außerhalb meiner anekdotischen Empirie Nachweise dafür, dass viele, viele gute Fachangestellte die für sie passende Ausbildung nun mit Anfang oder Mitte 30 abschließen anstatt mit Anfang 20. Das sind lockere 10 Jahre × Hunderttausende Fälle volkswirtschaftlicher Schaden, während wir allein schon für die absurden Rentenkassen jede Hand an Deck bräuchten. Von den persönlichen Schicksalen, Depressionen, Fehlinvestitionen, rückläufigen Geburten und anderen Folgeerscheinungen mal ganz zu schweigen.
Schicken wir Kinder aus eh unterprivilegierten Familien auf bürokratische Rundreise mit ungewissem Ausgang.
Mein Punkt war im übrigen nicht gegen das dreigliedrige System an sich, sondern gegen die zu frühe Sortierung und die katastrophale Vernachlässigung von allem was nicht Gymnasium ist (und Gymnasium eigentlich auch). Spätestens um Abitur rum finde ich persönlich es sehr gut Menschen nach Leistungen und Interessen zu fördern.
Das dreigliederige Schulsystem muss weg. Es hat einen Grund, warum die Finnen von der DDR abgekupfert haben, und regelmäßig in Vergleichstest führend sind. Gemeinsame Bildung bis zur 10 Klasse, ist das Beste, um ein hohes Bildungsniveau zu erhalten.
Dann Abi, wer mag und Uni wer mag, mit einer Wiederaufwertung der Fachausbildung und Karrierechancen für Facharbeiter. Ein Werkstattleiter im Industriebetrieb mit 50 Mitarbeitern muss inhaltlich verstehen, was seine Mitarbeiter machen. Er muss aber keine BWL-Buzzwort-Tabellen auswendig gelernt haben.
Ich denke das Problem hat von der anderen Seite angefangen. Bildung wird schon seit Jahrzehnten von weniger gebildeten Leuten verunglimpft und schlecht geredet, selbst auf Schulniveau.
"Mathe braucht doch kein Mensch" oder lustig machen über den Introvertierten Bücherwurm der in der Pause seinen Lieblingsroman weiter lesen möchte oder auch gerne mal aus dem Elternhaus wo Mädchen sich natürlich nicht für technische Hobbies zu begeistern haben.
Natürlich ist ein Fachmann in jedem Bereich eine gebildete Person, ob nun als Handwerker oder als Physiker, jeder weiß viele, viele Dinge über das eigene Fachgebiet die sonst wahrscheinlich kaum jemand in der Bevölkerung weiß, jeder kann Aufgaben mit qualitativ hochwertigen Ergebnissen durchführen die sonst jemand maximal mit viel Glück hinbekommen würde.
Und selbst die Berufe bei denen vielleicht nicht so viel Wissen oder Können erforderlich ist benötigen oft eine gute Arbeitsmoral und starke Anstrengungen um zum Ende des Arbeitstags zu kommen.
Das Problem ist nun aber bei Beziehungen auch nicht was die Person bei der Arbeit macht sondern mit welchem Mindset sie die Interaktion und Kommunikation mit ihren Partnern angehen und wenn es dort nicht möglich ist auf Augenhöhe über die Ereignisse im eigenen Alltag zu reden weil der Partner einen großen Teil des Kontexts nicht hat und kein Interesse hat sich diesen anzueignen, ja evtl. sogar verächtlich über die Arbeit des Partners redet, dann kann eine Beziehung nicht funktionieren und ich würde behaupten eine solche verächtliche Einstellung kommt zumindest bei den traditionell orientierten Teilen der Gesellschaft eher von den potentiellen Partnern mit niedriger Bildung.