this post was submitted on 29 Apr 2025
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[–] Saleh 21 points 15 hours ago (6 children)

Ich kann dazu jedem das kürzlich stattgefundene Jung & Naiv Interview mit dem Leiter der KZ Gedenkstelle Buchenwald empfehlen. Da wird neben der Schlussstrichdebatte und den politischen Veränderungen und ihren Gefahren für die Gedenkstätten auch der Begriff der "Erinnerungskultur" und die politische Instrumentalisierung problematisiert.

Wenn ich das halbwegs richtig wiedergebe, hat Jens-Christian Wagner erklärt, dass "Erinnern" nur ein Akt ist, der sich auf selbst Erlebtes beziehen kann, wodurch die Forderung "erinnert euch!" inzwischen schon an der Demographie scheitert. Die Forderung hat dann jedoch auch das Problem, dass sie eine persönliche "Erbschuld" impliziert, die dann natürlich zurückgewiesen wird. Das steht im Kontrast zum Gedenken an die Opfer einerseits, was unabhängig von Fragen von persönlicher Schuld geboten ist. Und es steht im Kontrast zur historischen Aufarbeitung, die eine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Opfern ist, und andererseits eine Verantwortung um derartige Verbrechen niemals wieder geschehen zu lassen.

Aus meiner Sicht ist die jetzige Erinnerungskultur, wie sie politisch und medial gelebt wird, zum Scheitern verurteilt, weil sie zunehmend performativ ist und gerade der letztgenannte Aspekt, ein "Niemals wieder" zu garantieren dabei von den Performern ignoriert wird, z.B. indem sie gegen Geflüchtete, in Armut Gedrängte und vermeintliche "Ausländer" hetzen, autoritäre Systeme aufbauen, Menschenrechte schwächen und Ungleichheit in der Gesellschaft befördern und instrumentalisieren.

[–] Kissaki 3 points 3 hours ago (1 children)

Das Erinnern kann ich verstehen wie das Gedenken. Das muss nicht nur auf selbst elected beziehen.

Wenn ich sage "ich erinnere mich" ist das natürlich etwas anderes. Aber es geht doch um "ich erinnere an".

Auch an Wissen und Historie kann man sich erinnern und andere erinnern.

[–] Saleh 2 points 3 hours ago

Ich habe die Stelle im Interview rausgesucht, wo über die Begriffe gesprochen wird. Etwa ab Minute 16 https://www.youtube.com/watch?v=6_5AxaCtGfI&t=960s

Meine Gegenüberstellung von Erinnern und Gedenken war auch nicht die Begrifflichkeit von Jens-Christian Wagner. Er hat das "Erinnern" mit "kritischer Auseinandersetzung" und "historischer Reflexion" gegenübergestellt. Er geht auch darauf ein, dass "kollektive Erinnerung" immer mit einer Konstruktion einhergeht. Auf die Problematik geht er später noch mal ein, wenn es um die Erinnerung von Zeitzeugen geht. Die frühen Aufzeichnungen sind aus seiner Sicht sehr wertvoll, weil spätere Erinnerungen Jahrzehnte danach "kanonisiert" sind und sich das eigene Erleben mit den entstandenen Narrativen vermischt hat.

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