Antifaschismus kennt kein Alter, das beweisen die Omas gegen Rechts. Unterwegs mit Frauen, die gegen die AfD kämpfen. Manchmal auch mit Cha-Cha-Cha.
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Protest und Aktivismus, Erinnerungsarbeit, der bunte Strauß dessen, was zu politischem Engagement außerhalb von Parteien gezählt wird, wirkt oft wie eine Domäne der Jugend. Stimmt nur teilweise, erzählen Befragungen des „Weizenbaum Reports“ zu politischer Partizipation von 2022 oder der Bericht über politische und gesellschaftliche Partizipation des Statistischen Bundesamts von 2021.
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Am Cafétisch macht sich Aktivistenstimmung breit: Sie lassen einander ausreden, bitten darum, Gedanken noch ausführen zu können; Handzeichen. Wenn man fragt, warum sich die Omas engagieren, schält sich eine Haltung heraus, die sich aus Lebensläufen speist: Britta Mahlendorff, geboren 1962, ist in Vorständen von Kleingartenverein und den Grünen, bietet Jugendbildung bei FAIREwelt Chemnitz an. Halbtags arbeitet sie als Regionalkoordinatorin für kirchliche Flüchtlingsarbeit, außerdem ist sie Referentin für politische Bildung im Evangelischen Forum. Auch halbtags. Wir sehen doch, sagt sie, dass man so etwas wie Gemeinwesen verteidigen muss.
Die Erinnerung an den Schreck von 2018 wird immer mal wieder wach: Im März 2023 verprügelten polizeibekannte Rechte drei Kulturmanager nach einer Konferenz, weil sie in der Innenstadt Englisch sprachen. Im Jahr davor erklärte der Generaldirektor der Kunstsammlung ein paar Jungs, dass er weder ihre Hitlergrüße noch das Sieg-Heil-Gebrülle anregend fand. Sie schlugen auf ihn ein. Die Omas erinnern sich, wie schnell Rechtsextreme Massen in die Stadt mobilisieren konnten. Erzählen von Enkeln, die manche Ecken der Stadt am Abend mieden.
Margitta Rühling, geboren 1944, hat lange als Bewährungshelferin gearbeitet. Als sie die Bilder im Fernsehen und in der Lokalzeitung sah, erkannte sie viele von denen, die bei den Rechten in der ersten Reihe standen. Sie hat da erst verstanden, sagt sie, dass das gewachsene Strukturen waren. Die waren alle organisiert und sind es noch.
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Im Schnitt sind Chemnitzer*innen 52 Jahre alt, hier lebt die älteste Bevölkerung aller Regionen in Europa. Am Cafétisch und in der Stadt erzählen die Omas von einer schweigenden Mitte. Die wolle rechte Übergriffe eher nicht wahrhaben, fremdle vor politischem Engagement. Schon ihr Gruppenname macht da Probleme, es gibt hakelige Debatten über die Präposition: Man könne nicht nur gegen etwas sein. Die Diskussion flackert unter Omas und denen, die ihnen mit Sympathie begegnen, immer mal wieder auf.
Wenn man eine Weile mit ihnen zusammensitzt, merkt man, dass die Runde viel für sich ist: Sie lernen, rechtsradikale Symbole zu erkennen, Sprachwendungen, rüsten sich gegen Parolen und Argumente. Und wollten schnell davon wegkommen, immer nur auf den Takt der Rechten, ihre Aufmärsche, ihre Aktionen zu reagieren: überlegen sich Lesungen, Workshops, Aktionen, die sie in die Stadt tragen. Im kulturellen Raum erzählen alle, mit denen man spricht, dass in Chemnitz rechte Begriffe oft den Alltag prägen.
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Margitta Rühling ballt kurz die Faust, denkt noch einmal an 2018: Wir haben uns so sehr über all die geärgert, die einfach neben den Nazis gestanden haben. Auch nicht weggingen, als die ihre Parolen brüllten. Ihr Vater war ein überzeugter Nationalsozialist.
Birgit Gatz erzählt, dass sie auch mal den Schwarzen Block (links) davon abhält, sich zu vermummen. Ihr seid doch hübsche Jungs, ruft sie ihnen dann zu, steht doch zu eurer Haltung. Britta Mahlendorff wiederholt: Uns geht es darum, etwas für die Demokratie zu tun.
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Kleiner Disclaimer gleich zu Beginn des Gesprächs: Über Aktivismus im Alter weiß die Soziologie wenig bis nichts. Er kenne überhaupt niemanden, der oder die das zum Gegenstand von Forschungen machen würde, sagt Rucht. Also keine Untersuchungen, nicht einmal jemand, der zum Thema arbeite. Ist Protest im Alter so neu? Rucht findet, nein: In Bergbaustädten Englands hätten ältere Menschen Proteste gegen Premierministerin Thatcher unterstützt.
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Aber mit der Boomergeneration gingen jetzt viele in den Ruhestand, die bei großen Protesten der Nachkriegszeit vorn dabei gewesen wären. Menschen mit politischen Biografien, die zu organisieren verstünden. Sie hatten Arbeitsgruppen gegründet, bei Anti-AKW-Gruppen mitgemischt oder in der Studentenbewegung (hieß in den 1960er Jahren so, Frauen waren eher mitgedacht). Heute nähmen sie dann das ein, was Rucht eine generalisierte politische Position nennt: prodemokratisch, eher links, oft bündnisorientiert.
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Auf einer Party im Sommer betete einer vor, was Friedrich Merz später zum Grundübel der Gesundheitsversorgung erklären wollte: Ältere Menschen bekämen keine Termine beim Orthopäden, alles voll mit Ukrainern. Die Fäden der wirren Diskussionen über Covid werden weitergesponnen: Die da oben. Schlimm. Und wir hier unten müssen es ausbaden. Am Gartenzaun Gerede darüber, was die Asylanten alles bekämen.
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