Der Fall zeigt aber auch: Eine Szene – und dazu zählt das Conne Island –, die sich selbst als emanzipatorisch und antisexistisch begreift, ist keinesfalls immun gegen (bewusste oder unbewusste) machistische, frauenverachtende oder generell herabsetzende Einstellungen und Verhaltensweisen. Die aktuelle Vergewaltigung und andere Übergriffe im näheren und weiteren Umfeld machen auf drastische Weise deutlich, dass eine Selbstbeschreibung als feministisch mitunter nur als identitätsstiftendes Feigenblatt dient und sich nicht automatisch in ein Handeln übersetzt, das diesem Anspruch auch Rechnung trägt.
Sexuelle Grenzüberschreitungen werden nach wie vor häufig trivialisiert, entschuldigt oder schlimmstenfalls gar als Beweis der eigenen Dominanz gefeiert. Dazu gehört auch, dass die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Zweifel gezogen wird – etwa, weil sie Alkohol getrunken oder nicht resolut genug „Nein“ gesagt hätten oder weil sie in einer bestimmten Weise gekleidet gewesen seien. Viele Betroffene melden sexuelle Übergriffe deshalb erst gar nicht, da Verfahren häufig eingestellt werden und die Gefahr einer Retraumatisierung groß ist. Immerhin: Durch die intensivere Diskussion über Sexismus und die Verschärfung des Sexualstrafrechts trauen sich Betroffene inzwischen mitunter eher, solche Vorfälle anzusprechen. Ihre Position wurde damit gestärkt, das Ausmaß sexueller Gewalt wird sichtbarer.